Verschwörungstheorien boomen. Im Interview mit SWR3 erklären Experten, weshalb wir den oft skurrilen Geschichten auf den Leim gehen und wie wir am besten mit Menschen umgehen, die daran glauben.

Das Bundeskabinett hat einen Impfzwang beschlossen, Microsoft-Gründer Bill Gates nimmt Einfluss auf die Corona-Maßnahmen in Deutschland und Globuli würden gegen das Coronavirus helfen. Verschwörungstheorien gibt es immer wieder. In den vergangenen zwei Jahren vor allem mit Bezug auf die Corona-Pandemie, aktuell oft im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg.

Warum gibt es so viele Verschwörungstheorien?

Kai Sassenberg erforscht am Leibniz-Insitut für Wissensmedien in Tübingen Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit der Corona-Krise. Für ihn ist klar, warum Menschen gerade während dieser Zeit so empfänglich dafür sind:

Menschen springen insbesondere dann auf Verschwörungstheorien an, wenn sie nach Erklärungen suchen, unsicher sind und sich bedroht fühlen – das erfüllt die Corona-Pandemie alles.

In so einer Situation würden Gesundheitsfragen für die Menschen eine große Rolle spielen. Hinzu komme die Angst, selbst zu erkranken. Zu dieser gesundheitlichen Bedrohung komme die Verunsicherung, da sich das Alltagsleben der Menschen in dieser Zeit verändert habe, so Sassenberg im Interview mit SWR3.

Warum sind gerade die sozialen Medien ein Nährboden für Verschwörungstheorien?

Generell ist das Interesse an Artikeln und Informationen über Verschwörungstheorien hoch. In den sozialen Medien gebe es eine hohe Chance zur Verbreitung solcher Inhalte. Denn:

Jeder kann senden, jeder kann Dinge verteilen, jeder kann ein YouTube-Video hochladen, in dem die eigene Verschwörungstheorie thematisiert wird.

Außerdem sei die Verbreitung solcher Inhalte in den Sozialen Medien, beispielsweise durch Likes und Retweets besonders einfach.

Welchen Einfluss hat das auf die Gesellschaft?

Verschwörungstheorien könnten auf zwei Wegen wirken, so Sassenberg:

1. Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, seien laut dem Wissenschaftler grundsätzlich skeptisch gegenüber Institutionen. Das bedeutete in Zeiten der Corona-Krise, dass sie die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht als sinnvoll erachteten und diese auch nicht unterstützten.

2. Forschungen hätten gezeigt: Allein das Wissen, dass es eine Verschwörungstheorie zu einem bestimmten Thema gibt, könne dazu führen, dass sich Menschen weniger solidarisch verhalten würden. Das hätte sich laut Sassenberg auch im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien zum Klimawandel gezeigt.

Wie mit Verschwörungstheoretikern umgehen?

Sassenberg rät, Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, nicht zu belächeln. Damit könne niemand erreicht werden – die Distanz werde stattdessen größer.

Besser sei es, Vertrauen aufzubauen – also Bedenken ernstzunehmen. Verschwörungstheorien würden Argumente enthalten, die oft aber keine Fakten seien. Deshalb sei der einzige Weg, sich auf die Diskussion einzulassen „in einer wertschätzenden und keiner belächelnden Art und Weise.“

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Das sagt auch Niklas Vögeding von der Beratungsstelle Veritas für Betroffene von Verschwörungserzählungen. Angehörige könnten eine wichtige Rolle übernehmen bei der Einsicht, dass man einer Verschwörungsideologie aufgesessen ist. Man könne zum Beispiel sagen: "Hey, ich stimme mit deinen Ideen überhaupt nicht überein und bin damit nicht einverstanden. Wenn du aber bereit bist, darüber nachzudenken, das ernsthaft zu hinterfragen und darüber zu sprechen, dann bin ich für dich da. Ich verurteile dich nicht, ich beschäme dich nicht, sondern dann unterstütze ich dich."

Wie komme ich raus aus der Blase der Verschwörungsideologien?

Gleichzeitig sei es natürlich aber auch in der Verantwortung der ehemaligen Verschwörungsgläubigen zu zeigen, dass da ein wahrhaftiger Veränderungsprozess stattfindet. Dieser müsse auf zwei Ebenen passieren, so Vögeding.

1. Auf der sozialen Ebene. Das heißt, wieder neue Kontakte zu knüpfen, sich aus der verschwörungsideologischen Bubble zu distanzieren – zum Beispiel aus entsprechenden Telegram-Kanälen auszutreten oder ähnliches.

2. Auf der ideologischen Ebene. Also die Ebene, auf der die Ideen basieren. Hier müsse man mit sich in einen ernsthaften Reflexionsprozess gehen.

Danach müssten Taten folgen, sagt Vögeding. Denn der Glaube und die Beteiligung an Verschwörungserzählungen könnten gefährlich sein und großen Schaden anrichten. Hier sei es wichtig zu zeigen, dass man einen ehrlichen Distanzierungsprozess durchlaufe. Eine Möglichkeit könne dabei sein, sich zu überlegen, wie man das wiedergutmachen möchte – sich zum Beispiel aktiv gegen die Ideologie zu engagieren.

Dies sei jedoch ein sehr langer Prozess, so Vögeding. Niemand sage plötzlich: "Och, da habe ich jetzt aber kompletten Unfug geglaubt." Da brauche es einen langen Prozess der Vertrauenswiederherstellung. Letztlich müsse man sich hier an seinen Taten messen lassen – dabei verdiene jedoch jeder, der es ernst und aufrichtig meint, auf jeden Fall Unterstützung.

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