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Svenja Maria Hirt
Svenja Maria Hirt (Foto: SWR3)
Kristian Thees
SWR3 Moderator Kristian Thees (Foto: SWR3)
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Wer sich zwanghaft gesund ernähren muss, leidet an Orthorexie. Nils Binnberg war einer von ihnen und hat darüber ein Buch geschrieben.

Acht Jahre lang ist Nils Binnberg sämtlichen Ernährungstrends gefolgt: Glutenfrei, paleo, low carb, lactosefrei, Obst nur zu gewissen Uhrzeiten, jeden Bissen minutenlang kauen, vegan bis hin zu „clean eating“. Er hat versucht, sich so gesund wie möglich zu ernähren. Als er das erste Mal den Begriff Orthorexie nervosa las, war im klar, er ist krank. In der SWR3-Vormittagshow mit Kristian Thees erzählt er, wie sich die Krankheit geäußert hat.

Hör hier das ganze Interview!

„Zwanghaft gesund essen wollen“

Die Krankheit besteht daraus, dass man 24 Stunden an nichts anderes denkt, außer ans Essen. Dazu kommen Schuldgefühle und Gefühle des Selbsthasses, wenn man die aufgestellten Regeln bricht.

Nils Binnberg (Foto: Nils Binnberg)
Nils Binnberg schrieb das Buch: „Ich habe es satt! Wie uns Ernährungsgurus krank machen“

Nils Binnberg hat eine Zeit lang auf Kohlenhydrate verzichtet. Wenn aber sein Körper ausgehungert war und nach Energie und Zucker schrie, dann hat er heimlich Süßigkeiten gegessen. Direkt folgten die Schuldgefühle. Deswegen sagen einige Wissenschaftler, dass die Krankheit eine Vorstufe von anderen Essstörung sei. Die Folge: Bulimie – die Ess-Brechsucht oder wie in Binnbergs Fall: Anorexie.

Bevor ich etwas Falsches gegessen habe, habe ich lieber gar nichts gegessen. Da ist man dann eher der anorexische Typ – also der magersüchtige.

Als er den Höhepunkt seiner Krankheit erreichte, wog Binnberg noch 68 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,85 Meter. Daraus entwickelte sich die Buchidee: „Ich habe es satt! Wie uns Ernährungsgurus krank machen.“ Und Binnberg begann zu recherchieren und stellte fest:

Hinter keiner Diätlehre findet man eine Wahrheit. Mal ist ein Hühnerei okay, dann ist das Ei wegen seines Cholesterins wieder böse.

Ernährungsmythen oder Wissenschaft?

In SWR3 erzählt Binnberg: „Ernährungswissenschaft basiert auf Beobachtungsstudien, das heißt, Menschen werden nach ihren Ernährungsgewohnheiten befragt. Wenn man jetzt herausfinden will, ob beispielsweise Veganer gesünder und länger leben als Fleischesser, dann weiß man am Ende nicht, ob es die Ernährung ist oder ob es vielleicht der ganze Lebensstil ist. Vielleicht leben Veganer bewusster, vielleicht fahren sie mit dem Fahrrad zur Arbeit oder vielleicht rauchen sie nicht. Das sind alles Faktoren, die unsere Gesundheit beeinflussen und was davon die Ernährung beeinflusst hat, das können wir nicht beurteilen.“

„Ein Lebensmittel ist wahnsinnig komplex.“

Nils Binnbergs Ziel mit dem Buch war, sich wieder mit dem Essen zu versöhnen – ein unverkrampftes Verhältnis zum Essen zu haben. „Ich würde behaupten: Es gibt keine gesunden oder ungesunden Lebensmittel. Lebensmittel sind per se erstmal gesund, sie sind kein Gift. Und deswegen sollte man maßvoll essen.“

Das Problem in unserer Gesellschaft ist die Maßlosigkeit.

„Eine Pizza ist nicht ungesund. Fünf Pizzen am Tag schon. Aber welcher Mensch ist fünf Pizzen am Tag? Dahinter verstecken sich ganz andere Sorgen und psychische Probleme. Aber dafür kann die Pizza nichts.“

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