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Svenja Maria Hirt
Svenja Maria Hirt (Foto: SWR3)

Polacke, Kanacke, Spaghettifresser – Alltagsrassismen gegen andere Nationen sind keine Seltenheit. Doch was viele von uns vergessen: Wir alle stammen aus Migrantenfamilien. Der Kampf gegen den Fremdenhass beginnt bei einem DNA-Test.

Wir alle sind miteinander verwandt. Und jeder Einzelne von uns stammt aus einer Familie, die irgendwann mal geflüchtet ist. Aber wo kommen wir her? Und wie deutsch sind wir wirklich? Wer Ahnenforschung betreiben will, hat zwei Möglichkeiten. Eine Variante wäre, den Stammbaum zurückzuverfolgen. Doch bei den meisten Familien reicht das Wissen nur wenige Generationen zurück. Eine andere Möglichkeit ist, eine Speichelprobe für eine Herkunftsanalyse abzugeben.

Forscher streiten sich darüber, wie zuverlässig die Ergebnisse sind. Gegner sagen, man könne nicht schlussfolgern, zu wie viel Prozent jemand skandinavisch oder osteuropäisch ist. Wissenschaftler vergleichen solche Tests sogar mit Horoskopen. Befürworter sind der Meinung, dass die Ergebnisse ohne Zweifel stimmen. Man könne nur nicht genaue Länder bestimmen, sondern nur Regionen: also nicht deutsch, sondern mitteleuropäisch.

Wie viel Ausländer steckt in dir?

Die SWR3-Morningshow-Moderatoren Michael Wirbitzky und Sascha Zeus haben sich auf die Suche nach ihren Wurzeln gemacht. Im folgenden Video haben sich Wirby und Zeus gegenseitig interviewt, um heraus zu finden, was sie eigentlich über ihre Vorfahren wissen. Danach haben sie zum ersten Mal die Ergebnisse ihres DNA-Tests gesehen. Ihre Reaktion? Seht selbst.

Der große DNA-Test – Die Ergebnisse

Wir haben 2 Eltern, 4 Großeltern, 8 Urgroßeltern, 16 Ururgroßeltern – und wenn man jetzt noch weitere 500 bis 600 Jahre zurück gehen, dann sind das ungefähr 20 bis 30 Generationen. Bei 30 Generationen – also 2 hoch 30 – haben wir eine Milliarde an Vorfahren. Das sind teilweise die gleichen, aber es sind auf jeden Fall mehrere Millionen. Alles in allem: Wir sind eine große Familie. Vor allem in Europa.

Die prozentuale Herkunft von Sascha Zeus

Geographische Herkunft von Sascha Zeus (Foto: SWR3)
Die Ergebnisse des DNA-Genealogie-Tests von SWR3-Moderator Sascha Zeus.

Saschispatz – fühlt sich als Ur-Bayer. Über sich selbst sagt er: Sein Vater kommt aus München, sein Mutter kommt aus München, sein Opa väterlicherseits ist Münchner, seine Oma väterlicherseits ist Münchnerin, sein Opa mütterlicherseits ist Münchner, seine Oma mütterlicherseits ist Münchnerin und sein Großvater kommt auch aus München. Für Zeus ist klar: Die Ergebnisse werden sagen – Oberbayern, München, Westend.

Was der Experte zu den Ergebnissen von Sascha Zeus sagt

Zu den kleinsten Anteilen gehört bei Sascha Zeus der westliche Nahe Osten mit 2 Prozent. Die Iberische Halbinsel, Spanien und Portugal, ist ebenfalls mit einem Anteil von 2 Prozent vertreten. Kleinasien, also die Türkei, stimmt zu 5 Prozent mit Saschas DNA überein. Zu Südosteuropa, wie Italien, Griechenland, Bulgarien, sind es sogar 8 Prozent. Der größte Anteil mit 47 Prozent ist Osteuropa. Der zweitgrößte Anteil liegt bei 39 Prozent und umfasst hauptsächlich das Vereinigte Königreich.

„Wie die meisten in Europa“

Johannes Krause leitet die Abteilung Archäogenetik am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. Über Sascha sagt er: „Herr Zeus sieht genetisch so aus wie wahrscheinlich die meisten Menschen in Europa. Er hat nämlich genetische Anteile von unterschiedlichen Populationen aus Europa. Das gilt für so ziemlich jeden Europäer. Das heißt, egal ob ich jemanden aus Spanien, aus England, aus Italien oder aus Osteuropa nehme: Wir haben alle eine genetische Mischung aus genetischen Komponenten, die in den letzten paar Tausend Jahren zum Teil nach Europa eingewandert sind.“ 

„5 Prozent könnte ein türkischer Ururopa sein“

Roman Scholz leitet eine Firma für Herkunftsanalysen, Igenea. Er erklärt den türkischen Anteil: „Die 5 Prozent, das würde in etwa einem Ururgroßvater entsprechen, was jetzt noch nicht sehr weit zurückliegt. Man kann natürlich theoretischerweise einen türkischen Ururgroßvater haben und ansonsten Vorfahren aus Mitteleuropa, Osteuropa. Dann hätte man auch so ein Ergebnis. Aber das kommt nicht so oft vor, weil Einwanderung aus der Region vor 150 Jahren nicht ganz so häufig war. Deswegen würde ich vermuten, dass der Anteil auf eine frühere Verbindung zurückgeht, die schon einige Jahrhunderte vielleicht zurückliegt.“

Die „Experten“-Meinung von Wirby lautet: „Sascha kann keine Elfmeter schießen und er isst morgens merkwürdige Sachen“. Für Sascha ist nun endlich klar, warum er Porridge mag.

Wir sind alle Europäer. Fertig. Klar, bin ich Deutscher. Aber ich bin – und das zeigt jetzt auch der Gentest – auch Europäer. Und ich denk europäisch und ich lebe europäisch. Und das ist gut so.

Die prozentuale Herkunft von Michael Wirbitzky

Geographische Herkunft von Michael Wirbitzky (Foto: SWR3)
Die Ergebnisse des DNA-Genealogie-Tests von SWR3-Moderator Michael Wirbitzky.

Wirby ist Rheinländer. Sein Papa kommt aus Berlin. Seine Mutter kommt aus Köln, hat aber einen französischen Nachnamen. Über seinen Nachnamen weiß Wirbitzy, dass er aus Polen oder aus Weißrussland kommt. Die eine Hälfte seiner Familie kam also aus dem Westen, die andere Hälfte kam aus dem Osten. Wirby fühlt sich als eine Mischung aus allem.

Was der Experte zu den Ergebnissen von Michael Wirbitzky sagt

Die zwei größten Anteile sind Südosteuropa mit 26 Prozent und Nordwesteuropa mit 25 Prozent. West- und Mitteleuropa, dazu gehören unteranderem Deutschland und Frankreich, sind mit 15 Prozent vertreten. Osteuropa liegt bei 14 Prozent. Der Anteil von Skandinavien liegt bei 17 Prozent, Finnland hat außerdem knapp 2 Prozent.

Krause, Professor für Archäo- und Paläogenetik, sagt über Wirbitzky: „Auch hier sieht man, dass es eine bunte Mixtur ist. Es zeigt, dass alle Menschen Europas eine sehr enge Verwandtschaft haben und ihre Gene sich in den letzten Tausenden von Jahren vermischt haben. Denn: Es gibt keine Grenzen – vor allem keine Ländergrenzen. Menschen, die in der Nähe wohnen, pflanzen sich miteinander fort. Wenn das über den ganzen Kontinent geht, über Jahrhunderte hinweg, dann entstehen solche Netzwerke. So entstehen Millionen von Vorfahren, die alle miteinander verwandt sind.“

Wie stolz bist du auf deine Heimat?

Auf die Frage, ob die beiden stolz auf ihre Heimat sind, sagt Wirby: „Ich mag den Begriff. Man braucht etwas, wo man herkommt. Aber ich sage nicht, dass meine Heimat besser ist, als die von jemand anderem.“ Für Zeus ist das wichtigste die Sprache. Dann ist er daheim. Aber, fügt er hinzu: „Ich bin nicht stolz, dass ich Deutscher bin. Ich könnte genauso gut Italiener oder Spanier sein. Ich bin froh, dass ich in Deutschland geboren bin, denn hier ist eine Demokratie. Ich könnte auch in einer Diktatur geboren sein. Dann ginge es mir nicht so gut. Ich finde es schön hier und ich habe Glück gehabt. Aber man kann darauf ja nicht stolz sein.“

Wie funktioniert so ein DNA-Test?

Man nimmt das Stäbchen in den Mund, reibt eine Minute an der Wangeninnenseite und packt es in ein Röhrchen. Die Speichelprobe wird dann in ein Labor geschickt. Zwei Teile der DNA werden analysiert. Zum einen das Y-Chromosom: Das, was Männer haben und Frauen nicht. Dies wird vom Vater an den Sohn 1:1 weitergegeben. Und zum anderen die mitochondriale DNA, die wird nur von der Mutter vererbt und ist also ihr genetischer Fingerabdruck.

Die eigene DNA wird mit fremder DNA verglichen. Dafür hat man zum Beispiel eine Studie mit hundert Leuten in Russland und mit hundert Leuten in England. Dann sucht man sich bestimmte Marker – das sind kurze DNA-Abschnitte – aus, von denen man weiß, dass sie nicht ständig hin und her mutieren, sondern relativ unverändert weiter gegeben werden. Dann wird die Probe mit den Daten aus allen Studien verglichen. Wenn 20 Prozent der DNA mit den Daten aus der Studie aus Russland übereinstimmen, hat man Vorfahren aus Osteuropa.

Ein DNA-Test ist eigentlich eine Art Verwandtschaftsvergleich mit Personen aus den jeweiligen Regionen.

Je besser die Datenbanken gefüllt sind, desto mehr Aussagen kann man machen und desto verlässlicher sind die Ergebnisse.

Wie weit gehen DNA-Proben in der Weltgeschichte zurück?

Es gibt DNA-Sequenzen, die über 400.000 Jahre alt sind. Gewonnen aus dem Knochenpulver oder den Zähnen von gut erhaltenen Skeletten, die man in Höhlen gefunden hat.

Fun-Fact über Insel-Bewohner

Es gibt wenige Populationen in Europa, die sich überhaupt genetisch trennen lassen von anderen. Die Einzige, die wirklich richtig raussticht innerhalb der genetischen Variation Europas, so Krause, seien Menschen von Sardinien. Der Grund: Die Sarden haben sich genetisch in den letzten 7.000 Jahren nicht so stark mit Menschen des Festlandes vermischt, weil sie auf einer Insel wohnen.

Das heißt, wenn man auf einer Insel wohnt, hat man einfach eine höhere Wahrscheinlichkeit einen Fortpflanzungspartner auf der Insel zu finden, als auf dem Festland. Über längere Zeit führt es dann dazu, dass sich diese Population auf der Insel isoliert.

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Svenja Maria Hirt
Svenja Maria Hirt (Foto: SWR3)

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