„Wir sind davon überzeugt, dass wir einen ambitionierten und tragfähigen Koalitionsvertrag schließen können“, heißt es in einem gemeinsamen Papier, das die drei Parteien nach den Sondierungsgesprächen am Freitag veröffentlicht haben.
Die Sondierungsgespräche waren von Vertrauen, Respekt und gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt. Das wollen wir fortsetzen
Erst Sondierungsgespräche dann Koalitionsverhandlungen
Der Start von Koalitionsverhandlungen wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Regierung. In den bisherigen Sondierungsgesprächen haben SPD, Grüne und FDP unverbindlich Differenzen und Gemeinsamkeiten ausgelotet. Wer Koalitionsverhandlungen aufnimmt, tut das hingegen mit der klaren Absicht, eine gemeinsame Regierung zu bilden. Ein Scheitern ist aber auch in dieser Phase nicht ausgeschlossen. Der SPD-Parteivorstand hat am Freitagnachmittag schon grünes Licht für Koalitionsverhandlungen gegeben. Nun müssen die Parteigremien von Grünen und FDP ebenfalls zustimmen.
Das sind die ersten Ergebnisse der Sondierungsgespräche
In dem gemeinsamen Papier nach den Sondierungsgesprächen stehen auch schon erste gemeinsame Beschlüsse, die die Parteien umsetzen wollen:
Anhebung des Mindestlohns
Der gesetzliche Mindestlohn soll im ersten Jahr der neuen Regierung auf zwölf Euro pro Stunde angehoben werden. FDP-Chef Christian Lindner sagt, die Anhebung des Mindestlohns sei verabredet. „Das war ein Anliegen von SPD und Grünen. Das muss man akzeptieren,“ so Lindner. Änderungen bei den Mini- und Midi-Jobs hätten der FDP das Entgegenkommen erleichtert. Die Minijob-Grenze soll demnach von 450 auf 520 Euro pro Monat und die Midijob-Grenze auf 1.600 Euro erhöht werden. Zudem gebe es einen Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente.
Verkehr und Tempolimit
SPD, Grüne und FDP planen kein generelles Tempolimit. Bei der Elektromobilität soll die Ladeinfrastruktur massiv beschleunigt werden.
Umweltschutz
Die Ampel-Partner streben einen schnelleren Ausstieg aus der Kohleverstromung an. „Idealerweise gelingt das schon bis 2030“, heißt es im Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP. Noch im Jahr 2022 soll es ein Klimaschutz-Sofortprogramm geben. Ziel sei es, Deutschland auf den Pfad zu bringen, die Pariser Klimaziele einzuhalten und die Erderwärmung zu begrenzen. Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für Solarenergie genutzt werden. Für Windkraft an Land sollen zwei Prozent der Fläche ausgewiesen werden. Die Windkraft auf See soll erheblich gesteigert werden.
Die Finanzierung des Ausbaus erneuerbarer Energien über den Strompreis (EEG-Umlage) soll „im Laufe der Legislaturperiode“ so schnell wie möglich beendet werden. Damit sollen die Stromkosten für Haushalte und Betriebe zu senken.
Wohnraum
„Unser Ziel ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen“, heißt es im Ampel-Sondierungspapier. Der Klimaschutz solle beim Neubau gestärkt, die energetische Sanierung im Bestand beschleunigt werden. Außerdem soll es zukünftig nicht mehr möglich sein, Immobilien mit Bargeld zu kaufen.
Digitalisierung
SPD, Grüne und FDP planen die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung neu aufzusetzen. „Kompetenzen in der Bundesregierung werden neu geordnet und gebündelt“, heißt es im Ampel-Sondierungspapier.
Finanzierung der Investitionen
SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagt, die Finanzierung der vereinbarten Investitionen sei gesichert. Es „besteht der fiskalische Spielraum für das, was notwendig ist“. Rentenkürzungen oder Steuererhöhungen soll es nicht geben, heißt es in dem Papier zudem. Um die Rente langfristig abzusichern, soll es eine „teilweise Kapitaldeckung“ geben. „Dazu werden wir in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von zehn Milliarden Euro zuführen.“ Anstelle von Hartz IV soll ein Bürgergeld eingeführt werden.
Migration
„Deutschland ist ein modernes Einwanderungsland“,sagen SPD, Grünen und FDP in ihrem Ergebnispapier. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz solle praktikabler werden. „Wir wollen außerdem ein Punktesystem als zweite Säule zur Gewinnung von qualifizierten Fachkräften einführen.“
Wahlalter
Das Wahlalter soll gesenkt werden. Bei der Wahl des Bundestags und des Europäischen Parlaments soll künftig ab 16 Jahren abgestimmt werden können.
Nato und Verhältnis zu Israel
Die Ampel-Partner bezeichnen das transatlantische Bündnis als zentralen Pfeiler und die Nato als unverzichtbareren Teil der Sicherheit Deutschlands. „Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson“, steht in dem Papier.
Forschung, Entwicklung und Bildung
„Wir wollen den Anteil der gesamtstaatlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3,5 Prozent des BIP erhöhen“, heißt es im Ampel-Sondierungspapier. „Wir brauchen mehr Ausgründungen aus Forschungsinstituten.“
Wann soll die neue Regierung stehen?
Laut SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz soll eine neue Regierung vor Weihnachten stehen. Vertreter aller drei Parteien hätten deutlich gemacht, dass die Gespräche bis dahin abgeschlossen sein sollten, sagt er.
Union und AFD kritisieren Pläne der Ampel-Partner
Die Union als wohl künftige Opposition kritisiert die vereinbarten Ampel-Koalitionsgespräche. Das vorgelegte Ergebnispapier sei keine Grundlage für eine Fortschrittskoalition, sondern für Linksträumereien, erklärte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in Berlin. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hat das Ergebnis der Ampel-Sondierung als kunterbunten Wunschzettel bezeichnet. Es fehle an Antworten auf die Frage, woher das Geld für all die Maßnahmen kommen solle. Unionsvorsitzender Ralph Brinkhaus sagte, viele Bereiche seien vage und unklar. Wesentliche Wahlversprechen würden nicht eingehalten und Sozialausgaben nicht gegenfinanziert.
Besonders scharfe Kritik kam von der AfD. Der Ampel gehe es „um eine Transformation Deutschlands in ein Versuchslabor für linke Gesellschaftsexperimente“, kritisierte der Innenexperte der AfD-Bundestagsfraktion, Gottfried Curio. Er kritisierte zudem die von den Ampel-Parteien anvisierten Änderungen in der Migrationspolitik: Curio sprach von einer „forcierten Einwanderung“ die „mehrheitlich nicht als Bereicherung wahrgenommen“ werde.
Linke: Wenig Konkretes im Sondierungspapier
Die Kritik von Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch zielte in eine andere Richtung: „Das Sondierungsergebnis liest sich wie ein 'Buch der edlen Vorhaben' – wenig Konkretes, viel Lyrik“, sagte Bartsch den Funke-Zeitungen. Die Finanzierungsfragen seien zudem „vage bis offen“. Der Linken-Fraktionschef bemängelte vor allem, dass eine Umverteilung nicht stattfinde. Positiv hervor hob Bartsch dagegen die Pläne, eine Kindergrundsicherung einführen zu wollen.