Noch vor wenigen Wochen hätte kaum einer mit Olaf Scholz gerechnet. Mittlerweile hat der SPD-Spitzenkandidat im Rennen ums Kanzleramt ziemlich aufgeholt. Am Mittwoch – zwei Tage nach Annalena Baerbock – stellte er sich in den ARD-Popwellen den Fragen von Ulrich, Zöller und auch einigen Hörerinnen und Hörern.
Das ganze Interview gibt es in der Audiothek zum Anhören – und hier zum Anschauen (los geht's ab Sekunde 45):
Bleibt die SPD demütig trotz Umfragehoch?
Natürlich waren die guten Umfragen auch für Ulrich und Zöller ein wichtiges Thema – zu offensichtlich ist die Tatsache, dass sich bei den Aussichten der SPD vor der Bundestagswahl einiges getan hat. Und Scholz? Der zeigte sich ebenso bescheiden wie „sehr froh“ über das derzeitige Hoch, das die SPD teils gleichauf mit oder sogar vor der CDU sieht.
Man spüre „den Trend“, wenn man durch Deutschland fahre, so Scholz. „Gut, dass für alle sichtbar ist, dass das klappen könnte“, freut er sich bescheiden. „Ich sage aber allen: Bleibt demütig!“

Gibt es da noch jemanden in der SPD außer Olaf Scholz?
Apropos demütig: Gibt es da ein Team um Scholz? Oder irgendjemanden außer ihm, wollen Ulrich und Zöller wissen. Klar: Da musste Scholz natürlich auf die 400.000 Parteimitglieder verweisen. Und alle Helfer. Und den Rest des Landes.
Aber er sagt auch:
Klar, wer der SPD seine Zweitstimme gibt, kriegt Olaf Scholz.
Scholz zum Afghanistan-Fiasko: Jetzt „schützen, wen wir schützen können“
Natürlich war Afghanistan ein wichtiges Thema – wie könnte es anders sein? Da zeigte sich Scholz so betroffen und frustriert wie alle zurzeit: der Durchmarsch der Taliban, das mutmaßliche Ende von 20 Jahren Demokratieaufbau.
Scholz ist wütend: Mehrfach erwähnt er die afghanische 300.000-Mann-Armee, die das Land nicht verteidigt habe, und die Regierung, die „ruchlos“ geflohen sei. Und natürlich die westlichen Geheimdienste, die es scheinbar allesamt nicht haben kommen sehen. Aber: „Auch ein paar Monate mehr vor Ort hätten nichts gebracht“, glaubt er.
Und jetzt, wollen die Interviewer wissen? Was soll jetzt passieren? „Wir müssen schützen, wen wir schützen können“, antwortet der Kanzlerkandidat. Und Menschen ausfliegen, wenn es irgendwie geht. Und: denen, die es anderweitig aus dem Land schaffen, in deutschen Botschaften und Konsulaten in den Nachbarländern Afghanistans unbürokratisch weiterhelfen.

Kohleausstieg und erneuerbare Energien: Scholz will sich „nicht verdrücken“
Thema Klima und Kohleausstieg: Wie bezahlt man den Umstieg? Und wie bekommt man die Leute dazu, dass sie all den Veränderungen zustimmen, wird Scholz gefragt. Bei der Finanzierung erinnert der Kandidat: Es seien ja vor allem private Firmen, die diesen Umbau ins Werk setzten. Denen müsse man durch gute Rahmenbedingungen unter die Arme greifen.
Was die Menschen angehe, dürfe man sich halt nicht „verdrücken“, sondern müsse die erneuerbaren Energien und vor allem die Stromnetze und die Ladestationen so ausbauen, dass alle schnell davon profitieren könnten. Das sei auch wichtiger als Diskussionen über CO2-Preise.
Wie will Scholz die Mieten runterbringen? „Bauen!“
Bauen müsse man, sagt Scholz, als eine junge Hörerin klagt, sie könne sich trotz vieler Arbeit in Frankfurt am Main einfach keine größere Wohnung leisten. „Wir brauchen 400.000 neue Wohnungen im Jahr. Jetzt sind wir bei 300.000. Aber wir waren schon mal bei 800.000. Warum sollten wir das heute nicht mehr hinkriegen?“, fragt der Sozialdemokrat. 100.000 der 400.000 Wohnungen müssten gefördert sein.
Außerdem strebt Scholz ein Mieten-Moratorium an – also einen gesetzlich geregelten Aufschub von Mieterhöhungen –, um den Anstieg erst einmal auszubremsen.
Bei der Frage nach der Corona-Pandemie zeigt sich Scholz als 3G-Anhänger. Mittlerweile seien über 50 Millionen Menschen geimpft und es sei nichts Schlimmes durch die Impfungen passiert. Da könnten auch Ungeimpfte mal nachziehen, findet Scholz. Er will aber das Gesundheitssystem verbessern und die Digitalisierung der Schulen ganz schnell vorantreiben.
Bei der Finanzierung von all dem – absehbar 400 Milliarden Euro Corona-Neuverschuldung, aber auch 30 Milliarden Euro Fluthilfe – setzt Scholz wie so viele vor ihm auf das Prinzip Wachstum.
Noch einen Kaffee, Herr Scholz?
Ja, Scholz spricht auch über seine Arbeitstage, die gegen 6:30 Uhr mit ersten Terminen beginnen. Kaffee hält ihn über Wasser: Zwei Tassen trinkt er im abendlichen Gespräch mit Ulrich und Zöller. Er könne dabei aber sehr gut schlafen, behauptet Scholz. Na dann: gute Nacht, Herr Kanzlerkandidat.