Nach den ersten zehn Minuten bin ich komplett verwirrt. Was ist das? Da steht Keppler knietief in seiner Küche im Wasser. Schuhe treiben vorbei, Blumen, die Kühlschrankelektrik spratzelt, Keppler guckt mich an und startet einen Monolog. Er spricht vom Sinn des Lebens. Soll das Ganze ein Scherz sein, fragt er sich, oder mehr eine Tragödie. Die Situation wirkt so surreal. Spricht er aus dem Jenseits? Ist er unsterblich, von wegen der Kühlschrankelektrikspratzelei im knietiefen Wasser? Ich habe nicht viel Zeit nachzudenken, denn nun schlendert ein Mädchen mit einer Gießkanne durch die Unterführung. „Ich möchte so gern nach Hause gehen“, trällert eine junge Sopranstimme dazu und weiter: „Wer hat mich lieb, wer nimmt mich mit?“, und mittendrin hört man nur ein kindliches Kreischen, das Knallen einer Tür und weg ist das Kind.
Das ist ein Tatort aus Leipzig?
Der Anfang ist so anders, so unwirklich, so gut. Und so geht´s weiter:
Die Entführer sind ein Mann und eine Frau mit weißen Latexmasken. Die Eltern des Mädchens sind streng gläubig, vertrauen auf Gott und sind sicher, dass ihr Kind gesund wieder nach Hause kommen wird. Zwischen Keppler und Saalfeld allerdings kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen. Zum Abschluss wird nochmal so richtig im Dreck gewühlt. „Ich hasse dich“, sagt Saalfeld, es gibt Ohrfeigen. Ausgangspunkt der Streiterei und gegenseitigen Demütigungen ist das gemeinsame Kind, das vor vielen Jahren gestorben ist. „Es wäre jetzt in der sechsten Klasse“, sagt Saalfeld. „Dann wäre sie verdammt oft sitzen geblieben“, kontert Keppler. „Und sicher ein asoziales, Crack rauchendes Problemkind.“ Saalfeld: „Unser Kind würde nach Hause kommen, hätte Hunger, hätte schmutzige Hände, würde dann Schulaufgaben machen und dann mit dem Hund spielen.“ Keppler: „Was denn für´n Hund?“
Fazit
Prall gefüllte 90 Minuten, voll gepackt mit Emotionen. Mit außergewöhnlichen Bildern, mit toller Musik, mit einer Simone Thomalla, die so gespielt hat, dass ich überhaupt nicht auf die Idee gekommen bin, auf ihre Lippen zu achten. Mit einem Martin Wuttke, der endlich mal so richtig loslegen durfte. Mit skurrilen Einfällen, durchgeknallten Charakteren. Schreibe ich das grade wirklich? Über einen Tatort aus Leipzig? Weil es die letzten drei Minuten nicht gebraucht hätte, weil es ab und zu ein bisschen sehr dick aufgetragen war, gibt es von mir für „Niedere Instinkte“ zwar nur 4 von 5 Elchen. Aber davor hätte ich nie gedacht, dass ich nach dem letzten Tatort aus Leipzig ein bisschen wehmütig werden könnte.