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Vanessa Valkovic
Vanessa Valkovic (Foto: SWR3)

Monatelange Wartezeit oder Fachärzte, die keine neuen Patienten aufnehmen: Wer medizinische Hilfe benötigt, hat es aktuell nicht immer leicht. Warum das so ist und was ihr tun könnt? Hier lesen!

Wie bekomme ich schneller einen Arzttermin?

Wer einen Termin bei einem Facharzt machen möchte, hat meistens Gründe, nicht lange damit zu warten. Die Realität sieht aber anders aus: monatelange Wartezeiten für einen Termin oder Schwierigkeiten, überhaupt bei einem Arzt als Patient neu aufgenommen zu werden. 2019 sollte ein Gesetz mehr finanzielle Anreize schaffen, damit gesetzlich Versicherte schneller Termine in fachärztlichen oder psychotherapeutischen Praxen bekommen. Diese Neupatientenregelung fällt jetzt weg, wodurch es für viele Menschen schwieriger werden wird, die einen neuen Facharzt benötigen. Dafür gibt es mehr Zuschläge für Termine, die die Terminservicestelle (TSS) oder die hausärztlichen Praxen vermittelt haben, Hausärzte erhalten ab dem 1. Januar 2023 außerdem 15 Euro, wenn sie für einen Patienten einen dringenden Termin vereinbaren – und genau hier liegt deine Chance, schneller an einen Facharzttermin zu kommen. Versucht also, euch direkt von eurem Hausarzt einen Termin bei einem Facharzt vermitteln zu lassen.

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Eine weitere Möglichkeit ist ein Termin über die Terminservicestelle. Das geht entweder online hier oder telefonisch unter der 116 117. Allerdings gibt es hier keinen Anspruch darauf, bei einem bestimmten Arzt oder Psychotherapeuten einen Termin zu bekommen. Wichtig: Für viele Fachärzte braucht ihr eine Überweisung und einen Vermittlungscode von eurem Hausarzt. Wenn euer Hausarzt der Meinung ist, dass ihr dringend einen Facharzttermin benötigt, kann er euch eine Überweisung mit Dringlichkeitscode ausstellen. Dann müsst ihr Terminvorschläge bekommen, die innerhalb der nächsten vier Wochen liegen. Stellt euer Hausarzt keinen Code aus, können die Terminvorschläge bis zu zwölf Wochen in der Zukunft liegen. Termine für Zahnärzte oder Kieferorthopäden werden nicht vermittelt. Es gibt auch keine Wunschtermine, es werden maximal zwei Termine zur Auswahl gestellt. Außerdem werden Termine in „zumutbarer Entfernung“ zum Wohnort vermittelt, es kann also sein, dass du einen längeren Anfahrtsweg hast. Keine Überweisung braucht ihr für folgende Termine:

  • Augenärzte
  • Gynäkologen
  • Psychotherapeutische Sprechstunde für Erwachsene und Kinder
  • Hausärzte
  • Kinder- und Jugendärzte
  • U-Untersuchungen

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Warum muss ich so lange auf einen Arzttermin warten?

Die Erklärung ist einfach, mögliche Lösungen sind komplexer: Es gibt zu wenig Kapazität von Ärztinnen und Ärzten, um den Bedarf in Deutschland abzudecken. Der Ärztemangel schreitet weiter voran. „Über 80% aller freien Arztsitze sind Hausarztsitze, Ende 2021 waren es rund 4.100 offene Hausarztsitze. Auch in einigen Bereichen der fachärztlichen Versorgung gibt es offene Sitze: etwa 171 bei Nervenärzten, 136 bei Kinder-und Jugendärzten oder 125 bei Augenärzten“, sagt Roland Stahl, Pressesprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auf Anfrage von SWR3.

Ein Problem: Der demografische Wandel, also die immer älter werdende Bevölkerung. Es gibt sowohl mehr ältere Menschen, die auf eine größere medizinische Versorgung angewiesen sind, als auch immer mehr Ärztinnen und Ärzte, die ohne Nachfolge in Rente gehen. Besonders auf dem Land ist das Problem Ärztemangel laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung groß: „Immer weniger Mediziner sind bereit, sich als Vertragsarzt, vor allem in ländlichen Gebieten, niederzulassen.“

Wir können zwar nicht grundsätzlich von einem bundesweiten Ärztemangel sprechen – noch immer erreichen über 90 Prozent der Bürger innerhalb von zehn Minuten den nächsten Hausarzt – aber insbesondere in strukturschwachen Gebieten wird es für Ärztinnen und Ärzte, die in den Ruhestand gehen, immer schwieriger, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden.

Auch die Gemeinden müssten sich engagieren, so Stahl. „Ohne Kindergärten und Schulen sowie gute Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten, ist es schwer, junge Mediziner für das Land zu begeistern.“

Das Problem fängt aber schon beim Thema Ausbildung an. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will mehr Medizinstudienplätze schaffen – notwendig seien 5.000 zusätzliche Medizinstudierende. Die Kosten dafür sind hoch – die Tagesschau schreibt in einem Bericht, dass diese laut dem Statistischen Bundesamt für ein Medizinstudium durchschnittlich bei 266.000 Euro liegen würden. Bildung ist in Deutschland Ländersache, deshalb liegen diese Kosten bei den Bundesländern. Clemens Hoch, Gesundheitsminister von Rheinland-Pfalz forderte deshalb im Dezember gegenüber der Deutschen-Presse Agentur: „Medizinstudienplätze kosten die Länder wahnsinnig viel Geld. [...] Der Bund muss da auch seiner Verantwortung nachkommen und in die Finanzierung mit einsteigen.“

Mehr als eine halbe Million Ärztinnen und Ärzte gab es laut der KBV im Jahr 2020 in Deutschland. Das sind mehr als je zuvor – allerdings arbeiten nicht alle Vollzeit. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf werde immer wichtiger. Deshalb sei inzwischen fast jeder vierte Arzt angestellt – eine eigene Praxis ist mit einer Selbstständigkeit verbunden.

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Lungenarzt erzählt: Täglich hunderte Anrufe in der Praxis

Jens Mathews ist Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie in Baden-Baden. An einem normalen Arbeitstag kann es sein, dass 400 Anrufe in seiner Praxis eingehen. Der Tonfall sei hier oft fragwürdig. „Es vergeht kein Tag, an dem nicht eine Arzthelferin Tränen in den Augen hat.“ Alle Ärzte, die er kenne, würden jeden Tag an ihrem persönlichen Maximum arbeiten. „Wir sind einfach am Anschlag.“

Dabei könnten lange Wartezeiten bei einem Facharzt leicht vermieden werden, so Mathews – indem frühzeitig vorgeplant wird. Wer einen Kontrolltermin braucht, weiß das in der Regel schon sehr früh und könne dann nicht erwarten, eine Woche nach einem Anruf einen Termin zu bekommen. Akutes wird schneller behandelt: „Das was warten kann, muss warten.“

Ein weiteres Problem laut Mathews: „Die Schlüsselrolle des Hausarztes wird oft nicht akzeptiert.“ Viele Menschen würden nach seiner Erfahrung direkt zu einem Facharzt gehen, weil sie ihrem Hausarzt zu wenig zutrauen würden. Dabei könne der vieles behandeln, für was es nicht gleich einen Facharzt brauche. „Hausärzte sind hochqualifiziert“, so Mathews. Auch bei einem Facharztwechsel rät der Mediziner, das frühzeitig mit dem eigenen Hausarzt zu besprechen.

Auch die Frequenz, in der Patientinnen und Patienten einen Arzt sehen möchten, habe sich erhöht. Ein weiterer Punkt: Weil Menschen nicht zwei Stunden im Wartezimmer ihres Hausarztes verbringen möchten, würden sie direkt in die Notaufnahme gehen. „Die Notaufnahme ist für Lebensbedrohliches da, so kommt ein System an den Anschlag.“

Das Kind ist schon weit in den Brunnen gefallen.

Auch er sieht das Problem des Ärztemangels unter anderem darin, dass es in Deutschland zu wenige Medizinstudienplätze gibt. Mathews kritisiert, dass stattdessen Ärzte aus dem Ausland angeworben werden: „Wir ziehen bei Ländern Ärzte ab, die sie dringend selbst brauchen. Menschen in Schwellenländern haben eh zu wenig.“

Tipps für den Arzttermin

Was kannst du tun, um rechtzeitig einen Arzttermin zu bekommen? Lungenspezialist Jens Mathews rät:

  1. „Planen Sie gut voraus und machen Sie Kontrolltermine frühzeitig fest“, so Mathews. Ein Vorsorgetermin ist planbar und nicht akut, es kann deshalb zum Beispiel drei bis vier Monate bis zum Termin dauern – in vielen Fällen sind das aber wiederkehrende Termine, um die du dich entsprechend früh kümmern kannst.
  2. Frage deinen Hausarzt, wenn du einen Facharzttermin brauchst. Er kann dir dabei helfen und gegenüber dem Facharzt signalisieren, ob du akut einen Termin brauchst oder nicht.
  3. Wenn du einen Arzttermin nicht wahrnehmen kannst, dann sag ihn ab. So könnten Menschen, die dringend einen Termin brauchen, nachrücken, so Mathews.
  4. Für den Arzt der wichtigste Punkt: „Wenn man beim Arzt anruft, nicht die Artzthelferin attackieren oder beleidigen. Kein Termin wird deshalb schneller.“

Warum nehmen Ärzte keine neuen Patienten auf?

Wer nicht nur einen Termin, sondern einen neuen Arzt braucht, der steht vor einer besonderen Hürde. Viele Ärzte nehmen keine neuen Patientinnen und Patienten mehr auf. Seit dem Januar 2023 fällt die Neupatientenregelung in Deutschland weg. Sie wurde 2019 eingeführt und war ein Anreiz, in Praxen mehr Termine anzubieten und mehr Menschen zu behandeln. Diese Leistungen wurden gesondert abgerechnet. Der Hintergrund: Für die Kosten, die ein gesetzlich versicherter Patient oder eine Patientin bei einem niedergelassenen Arzt oder Psychotherapeuten verursacht, bekommen diese von den gesetzlichen Krankenkassen ein Gesamthonorar. Bis zu einer bestimmten Menge werden die Leistungen zu 100 Prozent von den Kassen bezahlt, danach werden sie abgestaffelt vergütet – außer bei sogenannten „extrabudgetären Leistungen“. Das bedeutet: Mehr Neupatienten aufzunehmen lohnt sich durch den Wegfall der Neupatientenregelungen für viele Ärzte und Psychotherapeuten weniger. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung warnt deshalb, dass sich die ambulante Versorgung weiter verschlechtern wird.

Die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen, die aktuell mit immensen Kostensteigerungen zu kämpfen haben, sind frustriert und maßlos enttäuscht von diesem Beschluss. Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Wochen zu weiteren Protesten gegen die Streichung der Neupatientenregelung und die damit verbundenen Folgen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten kommen wird.

Sind Ärzte rechtlich verpflichtet, Patienten anzunehmen?

Grundlage für die Behandlung beim Arzt ist ein Vertrag. Ein solcher Behandlungsvertrag muss nicht schriftlich geschlossen werden. Er kommt dadurch zustande, dass sich beide Seiten einig sind, dass eine entsprechende Behandlung stattfinden soll. „Allerdings steht es in aller Regel beiden Parteien frei, einen Vertrag abzuschließen, oder eben auch nicht“, sagt Christoph Kehlbach von der ARD-Rechtsredaktion. Ärzte müssen also nicht jeden Patienten annehmen.

Lediglich bei akuten Notfällen sind Ärzte und Ärztinnen verpflichtet, die Patienten zu behandeln – für die normale Suche nach einem Termin beim Facharzt trifft das aber zumeist nicht zu.

Zwar sind eigentlich die Vertragsärzte (oder auch: Kassenärzte) grundsätzlich verpflichtet, Patienten, die gesetzlich versichert sind, anzunehmen. Das aber entfällt, wenn triftige Gründe vorliegen. „Dazu zählt etwa eine Überlastung des Arztes, weil er schon zu viele Patienten hat“ so Kehlbach. „Und genau das ist ja in den meisten Fällen exakt der Grund dafür, dass man keinen Termin bekommt.“

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