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Vanessa Valkovic
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SWR3 Report Bodytracking

SWR3 Report Bodytracking – die Sucht nach Selbstoptimierung

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15 Millionen Menschen in Deutschland vermessen sich selbst. Ob Schrittzähler, Fitnesstracker oder Schlafüberwachung: SWR3-Redakteurin Linda Bies möchte wissen, was das bringt und was es mit den Menschen macht.
Dafür hat sie mit einem Soziologen gesprochen, recherchiert, was Tracker leisten können, sich über den Datenschutz informiert und einen Anhänger der Quantified-Self-Bewegung getroffen.
Mehr Informationen zum Thema findet ihr auf SWR3.de.

Was ist Self-Tracking?

15 Millionen Deutsche vermessen sich selbst – sie dokumentieren jeden Schritt, jeden Kilometer oder jede Kalorie. Technisch ist das heute möglich: Mit Uhren, Apps und sogar Matratzen, die Schlafdauer und - qualität aufzeichnen. Tracking ist ein Trend, der vor allem auch in der Fitness-, Gesundheit- und Selbstoptimierungswelle Einzug hält.

Soziologe: Warum machen wir Self-Tracking?

Soziologe Stefan Selke beschäftigt sich seit Jahren mit dem Self-Tracking. Für ihn ist zumindest einer der Gründe klar: Kontrolle.

Wir tragen sie am Arm, wir tragen sie in der Tasche. Und wir können uns damit sehr schnell der Illusion hingeben, dass doch die Welt kontrollierbar ist, zumindest der Ausschnitt aus der Welt, der uns am meisten interessiert – nämlich wir selbst.

Er sagt auch: Wir vermessen uns schon seit Jahrhunderten. Denn: Der Mensch möchte sich vergleichen, Werte haben, mit denen er sich innerhalb einer Gruppe positionieren kann. Das ständige Vermessen kann aber auch negative Folgen haben.

Was da langfristig passiert, ist Folgendes, dass eigentlich die Ziele die wir alle erreichen wollen und die ja redlich sind – also besser zu werden zum Beispiel, uns zu steigern, zu entwickeln – dass die in den Hintergrund treten und dass die Mittel die wir ersonnen haben um diese Ziele zu erreichen, die Werkzeuge, nämlich die Tracking-Werzeuge, die digitalen, in den Vordergrund treten.

Das bedeutet, Menschen orientieren sich dann nur noch an einem bestimmten Wert und nicht mehr an dem eigentlichen Ziel, zum Beispiel insgesamt gesünder zu leben. Warum? Weil Noten leichter zu vergleichen sind als Bildung an sich. Und Schritte sind leichter zu vergleichen als die Gesamtfitness. Vergleichen – das spielt beim Selftracking eine große Rolle.

Self-Tracking – der Weg in die Sportsucht?

Der Vergleich mit anderen und mit sich selbst kann aber auch gefährlich werden – das zeigt ein Blick auf die Social-Media-Plattform Instagram. Unter #Sportsucht berichten viele von ihren Erfahrungen. Auch Selke sagt: Self-Tracking kann zum Verlust der eigenen Intuition führen. Also dazu, nur noch auf Werte zu schauen und nicht darauf, was der eigene Körper gerade braucht.

Tracking im Schlaf – funktioniert das wirklich?

Morgens beim Blick auf die Smartwatch erfahren, wie gut der eigene Schlaf war – auch hier ist Vorsicht geboten. Denn die Zahlen sind nicht immer verlässlich, sagt Joachim Maurer. Er leitet den Bereich Schlafmedizin an der Universität Mannheim.

Man denkt dann – ohne zu wissen, ob das wirklich so ist, dass das schon stimmen wird, was da angezeigt wird. Sonst dürften die das ja nicht verkaufen. Um eine Zulassung zu bekommen muss man aber nicht nachweisen, ob das überhaupt stimmt. Man muss nur nachweisen, das da zum Beispiel die Bewegung erfasst wird.

Und: Diese unsicheren Zahlen können Probleme schaffen, wo vorher vielleicht überhaupt keine waren. Sie sorgen für Druck, den perfekten Schlaf zu bekommen und können dadurch erst Schlafprobleme produzieren.

Tracking: Gefahr für meine Daten?

Diese ganzen Zahlen können noch viel mehr – sie sind bares Geld in der Werbeindustrie. Und das betrifft nicht nur Menschen, die aktiv Self-Tracking betreiben – eine Health App oder ein Schrittzähler sind mittlerweile auf jedem Handy oder jeder Smartwatch. Diese Geräte sind oft immer bei uns – und sammeln fleißig Daten zu Schritten, Zeitspannen oder unserem Standort.

Das sind die Daten, die direkt erhoben werden. Aus diesen direkt erhobenen Daten lassen sich aber eine ganze Reihe von weiteren Informationen ableiten oder berechnen. Informationen, die vielleicht als Messwert nicht direkt erhoben werden, die aber dann aus den erhobenen Messwerten berechnet werden. Und das lässt natürlich auch ein gewisses Verhalten erkennen: Also, wann trainiere ich, wann bewege ich mich, in welcher Art und Weise bewege ich mich.

Aus diesen Daten können dann bestimmte Verhaltensprofile erstellt werden: Wann und wie lange ich arbeite, mein Sportverhalten, ob ich im Ulraub bin – und auf dieser Grundlage kann dann die passende Online-Werbung ausgespielt werden. Auch für Versicherungen können solche Daten interessant sein.

In den USA ist Pay as you live keine Zukunftsvision mehr – seit 2018 bietet der erste große Versicherer Pay as you live Lebensversicherungen an. Autoversicherungen dieser Art gibt es schon länger. In Deutschland wird das Pay as you live immer mal wieder diskutiert – meistens kritisch. Das kommt vor allem daher, dass das deutsche und das amerikanische Versicherungssystem so unterschiedlich ist, sagt Soziologe Selke. In Deutschland baut das alles auf Solidarität, auf eine Gemeinschaft von Versicherten auf.

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