Der Kachowka-Staudamm liegt am Fluss Dnipro bei Cherson – im russisch besetzten südlichen Teil der Ukraine, nahe der Front. Am Dienstagmorgen kam es zur Katastrophe: Der Staudamm wurde schwer beschädigt. Er ist eingebrochen, das angrenzende Wasserkraftwerk zerstört.
Viele Videos und Bilder auf Twitter zeigen das Ausmaß.
Zerstörter Kachowka-Staudamm: Starke Überflutungen, tausende Menschen fliehen
Die Wassermassen strömen aus dem Kachowka-Stausee – mit schlimmen Folgen. In dem von Russland teils besetzten Gebiet Cherson ist es zu schweren Überschwemmungen gekommen. Experten glauben, dass die Überflutungen fast 100 Städte und Dörfer erreichen können. Etwa 42.000 Menschen sind nach Angaben der Ukraine im Süden des Landes von Überschwemmungen bedroht.
Auch der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths erklärte vor dem Sicherheitsrat, dass der Dammbruch „schwerwiegende und weitreichende Folgen für Tausende von Menschen in der Südukraine auf beiden Seiten der Frontlinie haben wird, da sie ihre Häuser, Nahrungsmittel, sauberes Wasser und ihre Lebensgrundlage verlieren werden“. Das tatsächliche Ausmaß der Katastrophe werde erst in den kommenden Tagen sichtbar.
Das Erste sendete am Dienstagabend einen Brennpunkt. Hier Aufnahmen einen Tag nach der Zerstörung des Staudamms:
In den von Russland kontrollierten Regionen leben nach offiziellen Angaben etwa 22.000 Menschen und 16.000 in den ukrainisch kontrollierten Regionen. Beide Seiten versuchen, die Menschen mit Zügen und Bussen aus den gefährlichen Gebieten zu bringen. Am Donnerstagabend (8. Juni) meldeten offizielle Stellen sowohl Russlands als auch der Ukraine, dass die Überschwemmungen mindestens 14 Menschen ihr Leben gekostet haben.

ARD-Reporterin Isabel Schayani ist vor Ort. Sie kennt die Gegend und berichtete am Dienstag (6. Juni) um 12 Uhr in der Tagesschau von „sehr viel Sorge, sehr viel Angst, vielleicht auch sowas wie Panik“.
Kachowka-Staudamm: Was sagen Kiew und Moskau?
Aktuell wird vermutet, dass der Damm gesprengt wurde. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht von Terror und macht Russland verantwortlich. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sieht für die „Umweltkatastrophe“ nur einen möglichen Verantwortlichen: Russland.
Die russische Seite hingegen bestreitet ihre Beteiligung und gibt der Ukraine die Schuld an der Katastrophe. Auch vor dem UN-Sicherheitsrat haben sich Kiew und Moskau gegenseitig die Schuld zugewiesen. Der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kislizia sprach am Dienstag bei einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung in New York von einem „Akt des ökologischen und technologischen Terrorismus“. Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja sagte dagegen, dass der Vorfall auf „vorsätzliche Sabotage Kiews“ zurückzuführen und wie ein Kriegsverbrechen einzuordnen sei. Die Angaben beider Seiten konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Britische Geheimdienste gehen davon aus, dass sich die Struktur des Staudamms in den kommenden Tagen verschlechtern könnte, was zu weiteren Überschwemmungen führen würde.
Hier liegt der Staudamm:
Welche weiteren Folgen könnte der Dammbruch haben?
Auf Twitter gibt es eine Karte, die zeigen soll, welches Ausmaß die Überschwemmung haben könnte. Gepostet hat sie der Politiker Anton Gerashchenko. Er ist Berater des ukrainischen Innenministeriums und erklärt, dass die Simulation schon etwas älter ist – das jetzt aber alles wirklich passieren könnte. Die UN warnen sogar vor einer humanitären Krise für Hunderttausende Menschen auf beiden Seiten der Frontlinie.
Selenskyj: Kachowka-Staudamm hat keine Auswirkungen auf die Gegenoffensive
Am Dienstag meldete sich Selenskyj mit klaren Worten auf Telegram. Die Zerstörung des Staudamms werde die Ukraine nicht daran hindern, die russische Armee zurückzudrängen. Dazu habe er mit den höchsten Militärs gesprochen, welche ihm versichert hätten, dass die ukrainische Armee in höchstem Maß bereit für die Gegenoffensive sei.
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Ist das AKW Saporischschja in Gefahr?
Die Angst vor einer nuklearen Katastrophe im nordöstlich, ebenfalls am Fluss Dnipro, gelegenen AKW Saporischschja ist groß. Sollte der Pegel des Stausees zu niedrig sein, könnte das Wasser laut der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) nicht mehr ins Kraftwerk gepumpt werden. Die IAEA betonte aber auch, dass zunächst keine unmittelbare Gefahr für das AKW bestehe. Denn: Nach Angaben der IAEA hat das Atomkraftwerk noch für mehrere Monate Kühlwasser.