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Jede fünfte Frau hat Schätzungen zufolge in ihrem Leben einmal abgetrieben. Würde bedeuten: Viele von uns kennen eine, die das erlebt hat. Gesprochen wird darüber selten. ARD-Reporterin Luisa Szabo hat einen Blick hinter die Kulissen einer Abtreibungsklinik geworfen.

Auch 2020 sind Abtreibungen für viele ein Tabuthema. Deshalb bleibt vieles im Unklaren: Wie läuft eine Abtreibung ab? Was für Gründe haben Frauen, die abtreiben? Und warum entscheidet sich ein Arzt für so einen Beruf?

Mehr als 100.000 Abtreibungen pro Jahr in Deutschland

Kurz nach acht in einer Abtreibungsklinik im Süden Deutschlands. Im Wartezimmer sitzen schon die ersten beiden Frauen. Die eine 16, die andere 39. Die eine geht noch zur Schule, die andere steht fest im Berufsleben, ist zweifache Mutter. Was beide verbindet: Sie sind ungewollt schwanger. In den vergangenen Tagen haben sie sich vom Frauenarzt zum Beratungsgespräch geschleppt, bis sie in dieser Praxis gelandet sind.

Ohne das Beratungsgespräch bekommt von offizieller Seite kaum jemand die Adresse von einer Abtreibungsklinik. Wären die Adressen der unterschiedlichen Abtreibungspraxen und -kliniken leichter zugänglich, könnten sich dort Abtreibungsgegner versammeln und die Patienten belästigen, wird häufig befürchtet.

Abtreibungen sind eine Parallelwelt

Friedrich Stapf ist einer der bekanntesten Abtreibungs-Ärzte in Deutschland. Er führt seit rund 40 Jahren Schwangerschaftsabbrüche durch – ungefähr 14 Stück jeden Tag. Ein Paradiesvogel, der beim Operieren Hawaii-Hemd statt Kittel trägt. In seiner Klinik finden jedes Jahr mehr als 3000 Schwangerschaftsabbrüche statt. Für selbsternannte „Lebensschützer“ ist dieser Mann ein Mörder. Frauen, die sich für eine Abtreibung entschieden haben, finden bei ihm Hilfe. Und viele von ihnen nehmen für den Abbruch mehrere Stunden Fahrt auf sich.

Die Frauen dort sind vor der Abtreibung immer sehr aufgeregt. Ich hatte den Eindruck, dass sie das Gefühl haben, dass sie hier etwas Verbotenes machen und dass sie eigentlich alle selber Schuld sind und dass sie danach auch mit niemandem darüber reden können, was ihnen da widerfahren ist. Das ist wie so eine Parallelwelt, von der die Gesellschaft eigentlich nichts wissen will.

Kaum ein Arzt will mit Abtreibungen zu tun haben

Gerade in dieser Ecke Deutschlands gibt es nicht viele Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Zwischen 2003 und 2018 ist die Zahl der Arztpraxen und Kliniken in ganz Deutschland um 40 Prozent zurückgegangen. Nur wenige Ärzte wollen mit diesem Thema in Verbindung gebracht werden. Abtreibungen sind in Deutschland immer noch ungern gesehen und ein großes Tabuthema. Dabei wünschen sich vor allem die Patientinnen eigentlich nur eine Sache von der Gesellschaft:

Dass man drüber reden kann. Eine Schwangerschaft ist im Idealfall das Beste, was einer Frau passieren kann. Aber es gibt auch die Momente, in denen es das Schlimmste ist, was einer Frau passieren kann. Und dass man dann halt sagt „okay“, manchmal haben Frauen Gründe, sich für diesen Eingriff zu entscheiden und dann sind die gerechtfertigt. Weil ich glaube, keine Frau trifft diese Entscheidung leichtfertig.

Am meisten überrascht hat mich, […] dass so viele verheiratete Frauen, die auch schon Kinder haben, in dieser Klinik sind.

Hier könnt ihr euch die komplette Doku anschauen

7 Tage... In der Abtreibungsklinik | SWR Doku

Sind Frauen nach einer Abtreibung traumatisiert?

Im Jahr 2011 haben britische Forscher im Auftrag des Gesundheitsministeriums Erkenntnisse zu den Auswirkungen von Schwangerschaftsabbrüchen auf die Psyche von Frauen veröffentlicht. Dabei ging es um Frauen, die erstmals ungewollt schwanger waren.

Das Ergebnis: Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch, oder aber dafür entschieden, das Kind zu bekommen, hatten später etwa gleich häufig psychische Probleme. Tatsächlich wurden Frauen mit psychischen Problemen sehr viel öfter ungewollt schwanger. Wenn Frauen nach einer Abtreibung unter einer psychischen Erkrankung litten, hing das vor allem damit zusammen, dass sie vorher schon psychische Probleme hatten.

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Redakteur/in
Luisa Szabo
Theresa Berwian
Onlinefassung
Patrick Schütz
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