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Von Autor/in Max Dehling, Alexander Winkler

Wer für Tiktok nützlich ist, hat offenbar schneller Erfolg: Durch sogenanntes „Heating“ pusht die Plattform wohl heimlich Accounts, die zur Unternehmens-Agenda passen.

Wie bekommt man viele Klicks auf der Video-Plattform Tiktok? Coole Videos machen, klar – aber wer zum Beispiel durch sein Image besonders gut zu Tiktok passt, hat offenbar noch bessere Chancen. Denn der chinesischen Video-Plattform wird vorgeworfen, individuelle Inhalte gezielt zu pushen und sie so künstlich erfolgreich zu machen.

Screenshot eines Videos auf Thomas Müllers Tiktok-Kanal. Müller sitzt im Liegestuhl auf einer Wiese und trinkt einen Cocktail.
Kann Thomas Müllers allererstes Tiktok-Video einfach sofort mega-erfolgreich sein? Durch „Heating“ pusht die Video-Plattform offenbar beliebig Inhalte und Accounts und macht sie künstlich erfolgreich.

Reichweite manipuliert: Ex-Tiktok-Manager bestätigt Heating-Vorwürfe

Die Vorwürfe, die unter anderem das US-amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes erhebt, bestätigt auch Charles Bahr, der eineinhalb Jahre lang als Manager bei Tiktok gearbeitet hat. Vor allem Videos von prominenten Menschen würden gezielt gepusht, bekämen also künstlich besonders viele Aufrufe, ohne dass das für irgendjemanden nachvollziehbar wäre:  

Dass ein Video auf einmal 200.000 Menschen ausgespielt wird, über einen sehr kurzen Zeitraum, das ist – gerade wenn du dir auch Mal die Kanäle von Dieter Bohlen und Thomas Müller zu Beginn anschaust, wo sie auch wirklich sehr überproportionale Reichweite haben – fast unmöglich.

Nach Ansicht des ehemaligen TikTok-Managers seien diese Profile mutmaßlich durch Tiktok hervorgehoben worden, um sicherzustellen, dass die Personen mit den Zahlen auf der Plattform glücklich sind.

Auch politische Inhalte oder Werbung könnten von Heating bei Tiktok betroffen sein

Dabei ist kein konkretes Muster zu erkennen, welche Accounts gepusht werden. Heating funktioniert offenbar bei vielen Tiktok-Beschäftigten einfach per Knopfdruck mit Freigabe von Vorgesetzten, allerdings über eine "mindestens zweistufige Freigabeschleife",  so Charles Bahr. Die gepushten Accounts wurden darüber nicht einmal informiert.

Screenshot eines Videos von Dieter Bohlens Tiktok Kanal. Dabei sitzt er vor einem Haus auf der Motorhaube eines weißen Ferrari
Gepusht oder nicht? Dieter Bohlens erstes Video bei Tiktok ist überraschend erfolgreich. Falls er von der Heating-Funktioni profitiert hat, hat er es womöglich nie erfahren.

Theoretisch wäre es so auch möglich, dass Mitarbeitende bei Tiktok beispielsweise die Videos von Werbekunden des Unternehmens künstlich deutlich öfter anzeigen, ohne dass diese als Werbung gekennzeichnet werden. Auch politische Botschaften könnten öfter ausgespielt werden, weil jemand von Tiktok sie gerade gutheißt – ebenfalls theoretisch. Ex-Tiktok-Manager Charles Bahr erklärt jedoch, dass ihm solche Fälle zumindest in Deutschland nicht bekannt seien. Allein die Möglichkeit sei aber gefährlich.

Wer die Tagesschau hervorhebt, aber die NZZ nicht, begibt sich automatisch in eine politische Position und das ist meines Wissens mehrfach passiert, gerade zu Beginn, dass Inhalte von der Tagesschau und weiteren Medienunternehmen, die sehr früh auf Tiktok waren, hervorgehoben wurden. Aber die, die erst später gestartet sind, halt nicht. Und das ist für mich ein Eingriff in unsere Berichterstattung.

Einsatz von „Heating“ bei Tiktok auch intern umstritten

Auf Anfragen von SWR3 reagiert Tiktok zunächst nicht. Erst spät schickt das Unternehmen ein Statement, in dem es die Verwendung der „Heating“-Funktion nicht dementiert. Offen bleibt jedoch, ob und wie das Unternehmen Manipulation oder Missbrauch verhindert.

Wir fördern die Sichtbarkeit einiger Videos, um das Angebot an Inhalten zu diversifizieren und der Tiktok-Community Prominente und aufstrebende Künstler vorzustellen.

Doch die Brisanz des Heatings von Inhalten scheint vielen Tiktok-Beschäftigten klar zu sein. Es werde zwar drauf geachtet, vorsichtig damit zu arbeiten, erklärt Charles Bahr. Trotzdem setze Tiktok die Funktion strategisch ein.

Aus meiner Sicht ist das ein Thema, das rechtlich extrem viele Implikationen haben kann und was mal wieder zeigt, dass die Plattform, die ja aus China kommt, absolut intransparent mit ihren eigenen Inhalten umgeht.

Fazit: „Heating“ bei Tiktok ist intransparent und birgt Gefahren

Auch SWR3-Wirtschaftsredakteur Max Dehling sieht das Potenzial von Heating kritisch. Dass einzelne Tiktok-Beschäftigte die Möglichkeit hätten, politisch motivierte Inhalte oder Videos von Werbepartnern ohne jegliche Kennzeichnungen für Hunderttausende und Millionen von Nutzerinnen und Nutzer hervorzuheben, sei undurchsichtig und bringe Probleme in der Sicherheit:

Zwar darf laut unseren Informationen niemand aus dem Sales-Bereich bei Tiktok die Heating-Funktion nutzen, offenbar gab es aber zumindest zeitweise schon Ausnahmen und die Funktion war auch Mitarbeitenden freigeschaltet, die direkt mit Unternehmen zu tun hatten.

Unsere Quellen

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Max Dehling
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SWR-Wirtschaftsredakteur Alexander Winkler
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