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Franziska Thees
Franziska Thees (Foto: SWR3)

Du bist auch ein Opfer des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche? Oder kennst Betroffene? Wir sagen dir, was du jetzt machen und wo du dich melden kannst.

Die katholische Kirche steckt in einer tiefen Krise. Immer mehr Menschen melden sich und sagen: „Ich bin von einem Priester missbraucht worden.“ Seit 2010 kommen immer mehr Fälle ans Licht, angefangen hat alles mit den Missbrauchsfällen am Canisius-Kolleg in Berlin.

Danach standen die Erzbistümer Köln und München-Freising im Fokus – und zuletzt das Erzbistum Freiburg. In allen Bistümern gab es Hunderte Fälle von sexuellem Missbrauch, sexueller Gewalt und Vertuschung der Taten.

Sexueller Missbrauch in der Kirche: Opfer berichtet bei SWR3

Besonders heftige Kritik an der Vertuschung der Missbrauchsfälle bekommt der ehemalige Erzbischof Robert Zollitsch aus Freiburg ab. Unter anderen ist es dafür verantwortlich, dass Fälle aus dem Erzbistum Freiburg aus mehreren Jahrzehnten vertuscht wurden – wie der Fall von Björn aus dem Kraichgau.

Er hat SWR3 erzählt, dass er als Neunjähriger von einem Pfarrer in seiner Heimatgemeinde missbraucht wurde. Passiert ist das 1988 im Erzbistum Freiburg. Mittlerweile hat sich Björn bei der neu eingerichteten Missbrauchsstelle gemeldet – und möchte anderen Betroffenen sagen: „Meldet euch dort auf jeden Fall!

Hier kannst du die Missbrauchsgeschichte von Björn aus dem Kraichgau nochmal nachlesen.

Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche: Hier bekommst du Hilfe

Die Hemmschwelle, mich dort zu melden, war bei mir nicht sehr hoch“, sagt Björn im SWR3-Gespräch. Er hat sich an die unabhängige Missbrauchsmeldestelle gewandt – und seine Geschichte dort noch einmal erzählt. Solche Stellen gibt es mittlerweile in allen Bistümern – auch bei uns in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Ich habe zuerst eine Mail hingeschrieben und berichtet, dass ich auch eines der Opfer im Erzbistum Freiburg bin“, erzählt Björn. Kurz darauf habe er schon eine Antwort erhalten. „Eine Rechtsanwältin hat mir geschrieben und mich gefragt, ob ich ihr meine Geschichte erzählen will – entweder vor Ort in Freiburg oder per Zoom-Call.“ Er hat sich für den Videocall entschieden.

So kannst du mit den Missbrauchsbeauftragten Kontakt aufnehmen:
Erzbistum Freiburg
Dr. Angelika Musella,
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Kury,
Sybille Kuthe
☎️ 0761703980📧 E-Mail
24/7-Hotline☎️ 08006800400
Betroffenenbeirat📧 E-Mail
Erzbistum Köln
Peter Binot☎️ 01722901534📧 E-Mail
Martin Gawlik☎️ 01722901248
Bistum Speyer
Dorothea Küppers-Lehmann☎️ 015114880014📧 E-Mail

Ich bin Missbrauchsopfer: Was erwartet mich am Telefon?

Das Gespräch mit der Anwältin sei sehr angenehm gewesen, sagt Björn. „Ich hatte nie das Gefühl, dass ich da unter Zwang stehe, etwas erzählen zu müssen.“ Schließlich habe er seine Geschichte erzählt und sich danach noch weiter mit der Missbrauchsbeauftragten unterhalten. Das Gespräch sei sehr aufschlussreich gewesen, sagt Björn: „Ich kann jedem Opfer nur empfehlen, sich dort zu melden. Denn es gibt viele Hilfsangebote, von denen ich gar nichts wusste.“ Wer anonym bleiben möchte, kann sich auch erst einmal ohne seinen Namen zu nennen bei den Beratungsstellen melden.

Welches Ziel die unabhängige Meldestelle denn habe, wollte Björn von der Beauftragten wissen. Letztendlich seien es vier wesentliche Bausteine, habe die Anwältin ihm gesagt.

  • Den Fall offiziell aufnehmen und protokollieren
  • Über die Möglichkeiten einer Anzeige aufklären
  • Über die möglichen Formen der Opferhilfe aufklären
  • Eine Ausgleichszahlung beantragen

Deswegen sei es wichtig, jeden Fall bei den Missbrauchsstellen zu melden, sagt Sybille Kuthe – sie ist Rechtsanwältin und eine der unabhängigen Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums Freiburg. „Wenn der Täter noch lebt, kann es für ihn durchaus noch Konsequenzen dienstrechtlicher Art haben“, auch wenn die Taten nach dem Strafgesetzbuch schon verjährt sind.

Sexueller Missbrauch: Den Opfern steht eine Entschädigung zu

Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich vor drei Jahren schon darauf geeinigt, dass die Opfer des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche eine Ausgleichszahlung von bis zu 50.000 Euro bekommen sollen.

Das haben die Bischöfe beschlossen, weil viele Fälle schon verjährt sind und es über die Gerichte deshalb keine Möglichkeit mehr gibt, eine Entschädigung zu bekommen. „Dieses Geld soll ausdrücklich kein Schweigegeld sein“, sagt Sybille Kuthe.

Man nenne das eine Leistung in Anerkennung des Leides. Darüber hinaus gibt es noch weitere Unterstützungsangebote: über die Vermittlung von Traumatherapeuten, Übernahme von Therapiekosten bis hin zu Begleitung mit Hilfe von traumasensibler Seelsorge. „Für Betroffene des Bistums Freiburg gibt es zusätzlich die Möglichkeit, bei Vorliegen der finanziellen Voraussetzungen monatliche Anerkennungszahlungen zu erhalten“, sagt Sybille Kuthe.

Freiburger Missbrauchsbeauftragte: Es gibt keinen Druck

Betroffene können natürlich Anzeige bei der Polizei erstatten. Allerdings geben dann die Behörden das Tempo vor – und das könnte manche Missbrauchsopfer überfordern. „Wer sich bei uns meldet, gibt selbst das Tempo vor“, sagt Sybille Kuthe. Es gebe Betroffene, die nur im Zweimonatsrhythmus in der Lage seien, über ihre Erlebnisse zu sprechen.

Bei den Meldestellen kann jeder Betroffene sagen, dass er erst einmal Abstand braucht und der Fall erst einmal auf Eis liegen soll“, sagt die Juristin. Es gebe keinen Druck, den Fall so schnell wie möglich abzuschließen. „Betroffene dürfen auch jederzeit eine Vertrauensperson zu den Gesprächen mitbringen – völlig egal, ob das ein Familienmitglied ist oder jemand von einer Fachberatungsstelle.

Die Opfer sollten den Mut haben, die Täter bei der Polizei anzuzeigen, sagt Sybille Kuthe – auch wenn nach einer Strafanzeige die Ermittlungsbehörden weiter ermitteln – unabhängig davon, was das Opfer möchte. „Wir versuchen die Betroffenen hier zu begleiten, indem wir zum Beispiel einen Zeugenbeistand vermitteln.

Sexueller Missbrauch: Wie sieht so ein Gespräch aus?

Björn hat sich dazu entschieden, das Gespräch ohne eine Vertrauensperson zu führen. „Wir haben uns vorgestellt und uns erst locker unterhalten“, erinnert er sich. Dann habe er der Missbrauchsbeauftragten seine Geschichte erzählt. Im Anschluss seien ihm die verschiedenen Möglichkeiten der Hilfen angeboten worden.

Die katholische Kirche biete den Missbrauchsopfern unter anderem an, Therapien zu bezahlen oder auch einzelne Gespräche mit Traumatherapeuten. Was dabei ganz wichtig ist: „Alle Angebote sind freiwillig und kosten mich als Opfer nichts“, sagt Björn, „die Kirche übernimmt sowohl die Kosten für die Anwälte als auch die Kosten für mögliche Therapien oder Therapeuten.

Müssen Missbrauchsopfer Unterlagen zu ihrem Fall vorlegen?

Was ist, wenn ich missbraucht wurde – das aber gar nicht beweisen kann? Bekomme ich dann trotzdem Hilfe und eine Entschädigung? Fehlende Beweise sind – im Gegensatz zu einem Gericht – bei den Missbrauchsmeldestellen kein Problem.

Anders als vor staatlichen Gerichten müssen Betroffene keinerlei Beweise, weder für den sexuellen Missbrauch noch für seine Folgen, erbringen. Es genügt, dass die Schilderung der Betroffenen plausibel ist.

Was laut Kuthe viele Betroffene umtreibt: „Eine direkte Konfrontation mit dem Beschuldigten findet nicht statt.“ Heißt: Wer sich als Missbrauchsopfer bei den Beratungsstellen meldet, muss seinem Peiniger nicht gegenübertreten.

Wer sich dennoch nicht traut, sich bei den Missbrauchsbeauftragten der Kirchen zu melden, kann auch „erst einmal bei einer anderen unabhängigen Beratungsstelle Hilfe in Anspruch nehmen“, sagt Anwältin Sybille Kuthe. In Südbaden sei das unter anderem bei der Beratungsstelle Wildwasser.

Eine weitere gute Adresse sei der Betroffenenbeirat des Erzbistums Freiburg. „In ihm sitzen Menschen, die ebenfalls sexuellen Missbrauch oder Grenzverletzungen im kirchlichen Kontext erlebt haben und somit wissen, was der Anrufer durchgemacht hat und in welchem Dilemma er sich oft befindet.

Du traust dich nicht, bei den Missbrauchsbeauftragten oder dem Betroffenenbeirat anzurufen? Das sind weitere Möglichkeiten:

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