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Von Autor/in Sandra Herbsthofer

Mit 13 schließt sich David einer Gang an, mit 14 kommt er ins Jugendgefängnis – dort begeht er schließlich Suizid. Im SWR3-Podcast „Der Gangster, der Junkie und die Hure“ erzählt Davids Mutter Ghenet die Geschichte ihres Sohnes.

Davids Geschichte: Ein Sohn gerät auf die schiefe Bahn

Was ihr hier lest, ist nicht nur die Geschichte eines Jungen. Es ist auch die Geschichte einer trauernden Mutter und eine Erzählung über ein System, das nicht in der Lage war, einem jungen Menschen, der dringend Unterstützung gebraucht hätte, zu helfen.

Aber ganz der Reihe nach. Wir haben Ghenet in den SWR3 Podcast „Der Gangster, der Junkie und die Hure“ eingeladen.

Sie ist 45 Jahre alt, kommt aus dem Landkreis Reutlingen in Baden-Württemberg. Und: Sie hat vor fast genau einem Jahr den größten Albtraum jeder Mutter erlebt: Sie hat ihren damals 15-jährigen Sohn David verloren.

In drei Podcast-Folgen hat sie bei unseren Podcast-Hosts Maximilian Pollux, Roman Lemke & Nina Workhard Davids Geschichte erzählt – mit einem Ziel: Dass David nicht vergessen wird. Und, dass seine Geschichte anderen Menschen weiterhilft.

Trennung, neue Umgebung, Pandemie

Ghenets Geschichte beginnt im Jahr 2020. Sie hat sich gerade aus einer missbräuchlichen Beziehung zu Davids Vater getrennt.

Mit David und seiner Schwester zieht Ghenet in eine neue Wohnung – zu dritt soll nun ein Neustart gelingen.

Alles anders also für die drei: neues Zuhause, neue Familienstruktur.

Und als wäre das nicht schon genug Belastung für die Familie, kommt eine Sache erschwerend hinzu: Auf der ganzen Welt herrscht zu diesem Zeitpunkt Pandemie-Ausnahmezustand – Deutschland befindet sich im Lockdown.

Erinnerungen an David
Ghenet teilt Erinnerungen an David auf ihrem Instagram-Profil Bild in Detailansicht öffnen
Bilder von David und seiner Schwester
David trägt seine Schwester auf dem Rücken Bild in Detailansicht öffnen
David und seine Mutter Ghenet
David und seine Mutter Ghenet Bild in Detailansicht öffnen

Gang-Mitglied mit 13 Jahren

Home Schooling, Stress und fehlende Betreuungsmöglichkeiten: Wie viele Familien, versucht auch Ghenet mit ihren Kids, das Beste aus der schwierigen Situation zu machen.

David ist zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre alt. Im Home Schooling fehlt ihm Struktur – währenddessen versucht Ghenet händeringend ein neues Zuhause für ihre beiden Kinder zu schaffen.

In dieser Zeit gerät David an die falschen Freunde – er schließt sich einer Gang an.

David brauchte Vorbilder. Und eine Gang gibt einem jungen Menschen in so einer Situation natürlich unglaublich viel Halt, Struktur, Verlässlichkeit.

Drogen, Diebstahl und die Sache mit der Strafmündigkeit

Zur Erinnerung: David ist zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre alt – also noch nicht strafmündig.

Oft werden die jüngeren von den älteren Jungs ausgenutzt: Wenn du noch nicht 14 bist, passiert dir nichts!

So wird David zum Täter: Mit seiner Gang beteiligt er sich an Diebstählen und konsumiert Haschisch.

Auf einmal wurde er dunkel. Das sah ich an den Augen. An Dingen, an denen er bis dahin Freude hatte, hatte er auf einmal keine mehr.

David rutscht in die Kriminalität ab. Und auch das missbräuchliche Verhältnis zu seinem Vater nagt an ihm, verlangt ihm einiges ab.

Er hat psychische Probleme. Ghenet versucht ihren Sohn zu einer Therapie zu überreden, will ihn einweisen lassen, wendet sich an Hilfestellen – doch nirgendwo ist Platz für David.

Und der hat sich in der Zwischenzeit bereits ein anderes Ventil gesucht: Immer öfter greift er zur Rasierklinge und verletzt sich selbst.

David hat in seinem Alter selbst nicht die Worte gehabt, um zu sagen: Ja, mir geht es schlecht. Aber das wurde von ihm erwartet. Es wurde erwartet: Wenn du Hilfe willst, rede!

Ghenet wendet sich an Davids Schule – Sie hofft, dass die Schule für David eine Ausnahme macht und ihn vom Home Schooling zurück in die Schulstruktur holt.

Sie kontaktiert eine Kinder- und Jugendpsychiatrie und erzählt von Davids Selbstverletzungen mit der Bitte um Hilfe – alles ohne Erfolg.

Verurteilung sorgt für weitere psychische Belastung

Und dann wird es noch schlimmer: David wird mit Drogen in der Schule erwischt und fliegt raus. Er ist mittlerweile 14 Jahre alt – also strafmündig.

Er wird straffällig und kommt in die Untersuchungshaft nach Stammheim, in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart.

Das ist jenes Gefängnis, das durch die Inhaftierung der RAF-Terroristen und deren späteren Selbstmord ebenda weltweit bekannt geworden ist.

Als sein Fall schließlich vor Gericht kommt, rechnen er und seine Mutter Ghenet damit, dass David nicht ins Gefängnis, sondern in eine psychiatrische Einrichtung überstellt wird – das war auch sein Wunsch.

Aber es kommt anders. David wird zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Podcast: Der Gangster, der Junkie und die Hure Wie umgehen mit Suizidgedanken? Max erzählt seine Geschichte

Der Tod hat schon immer eine Rolle in Maximilian Pollux' Leben gespielt. Gemeinsam sprechen die drei über Lösungsansätze und wie man als Betroffener oder Angehöriger damit umgehen kann.

David begeht Suizid

David ist zurück in Stammheim. In der Haft nimmt er stark ab, es geht ihm schlecht. Und für Ghenet werden die Besuche zu einer bürokratischen Herausforderung.

Und dann kommt es zum schicksalhaften Tag im Mai 2023. Nichtsahnend ist Ghenet mit ihrer Tochter und deren Cousine zu Hause.

Doch dann klopft es an der Tür:

Auf einmal standen zwei Polizisten und ein Seelsorger vor der Tür. […] Es wurde dann merkwürdig, als der Polizist meine Tochter genommen hat und meine Nichte und raus in den Garten ist. […] Dann hab ich mich hingesetzt und die Polizistin hat mir gesagt: Wir müssen Ihnen mitteilen, Ihr Sohn ist verstorben. Dann hab ich gelacht und gesagt: Ne, Sie müssen sich irren!

Der damals 15-jährige David nimmt sich in seiner Zelle das Leben. Für seine Mutter Ghenet ein Tiefschlag.

Nach Davids Tod: So engangiert sich Ghenet heute

Heute – circa ein Jahr später – engagiert sich Ghenet immer noch im Verein SichtWaisen, der sich der Drogen-, Gewalt- und Kriminalprävention im gesamten deutschsprachigen Raum widmet und wo auch Angehörige von Täterinnen und Tätern Ansprache finden.

Mit ihrer Geschichte will Ghenet an ihren verstorbenen Sohn erinnern. Und sie will Aufmerksamkeit schaffen, dass in unserem Justizsystem im Umgang mit jugendlichen Straftätern noch viel getan werden muss.

Ihre ganze Geschichte hört ihr im SWR3 Podcast „Der Gangster, der Junkie und die Hure“.

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