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Sandra Herbsthofer
Sandra Herbsthofer (Foto: Lukas Nolz)

Seit dem Jahr 2000 haben Kinder in Deutschland ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Doch nicht alle Kinder wachsen in einem gewaltfreien Haushalt auf – für viele gehört Gewalt sogar zum Alltag.

Eine von ihnen ist Susanna. Im Podcast „Der Gangster, der Junkie und die Hure“ erzählt die heute 30-Jährige von ihren Erfahrungen als Kind und Jugendliche, die häufig von körperlicher Gewalt geprägt waren – und das bereits vor ihrer Geburt.

Prügel bereits im Mutterleib

Vieles, worüber sie spricht, weiß sie von ihrer Mutter, ihr selbst würden viele Erinnerungen fehlen, sagt Susanna. Die heute 30-Jährige erzählt im SWR3-Podcast ihre Geschichte, die sehr eng mit der Geschichte und den Erlebnissen ihrer Mutter verbunden ist.

Auch ihre ersten Gewalterfahrungen erlebt Susanna gewissermaßen mit ihrer Mutter – genauer gesagt in ihr. „Ich habe schon körperliche Gewalt erfahren, bevor ich überhaupt geboren wurde“, erzählt Susanna.

Der Gangster, der Junkie und die Hure - Maximilian Pollux, Nina Workhard und Roman Lemke stehen vor einem Sarg (Foto: SWR3)

Der Gangster, der Junkie und die Hure Susanna: Prügel schon im Mutterleib

Dauer

Zu Gast ist die 30-jährige Susanna, eine unglaublich positive Frau, obwohl sie nicht nur eine Leiche, sondern ein ganzes Krematorium im Keller hat.
Angefangen mit einem gewalttätigen Vater, der ihrer Mutter in den Bauch tritt, als sie mit ihr schwanger ist. Der die 6-jährige Tochter Waffen zerlegen lässt, sie nach jahrelanger Bedrohung ihrer Mutter beinahe entführt und sie 12-jährig am Hals aus dem Fenster hält. Trotzdem hat sie ihren Vater lieb. Dazu kommen viele Umzüge, die ADS-Diagnose und zwei gescheiterte Ausbildungen, eine weil ihr Ex-Freund sie und ihre Mutter in den finanziellen Ruin stürzt.
Maximilian, Roman und Nina können es kaum fassen. Hätte Susannas Mutter ihrem Kind den Kontakt zum Vater verbieten müssen, um sie zu schützen? Was hat sie gerettet und was gibt sie Menschen mit auf dem Weg, die vielleicht gerade mit ihrem Leben hadern? Susanna schwört auf Wertschätzung und Durchhaltevermögen, nimmt die Asche aus ihrem Leichenkeller und pflanzt symbolisch Blumen darauf, damit etwas Schönes daraus erwächst.
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Mehr zum Thema Gewalt gegen Kinder auf SWR3.de: https://www.swr3.de/aktuell/service/gewalt-kinder-persoenlichkeitsstoerung-weihnachten-102.html
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Der Grund: Bereits während der Schwangerschaft wird Susannas Mutter von ihrem Vater verprügelt.

Das war also der Start in mein Leben, so bin ich willkommen geheißen worden.

Häusliche Gewalt: Kein Entkommen

Auch nachdem sich Susannas Mutter nach vielen Jahren des Missbrauchs von ihrem Vater trennt und mit ihrer Tochter ins Frauenhaus flieht, werden die beiden immer wieder von Susannas Vater gefunden:

Er stand auf einmal vor der Tür. Er wollte meiner Mutter nur zeigen, dass er weiß, wo wir wohnen.

Für Susannas Mutter waren das Momente des Schreckens. Susanna selbst hat die Besuche ihres Vaters allerdings nicht nur in negativer Erinnerung. Sie liebte ihren Vater und wollte Zeit mit ihm verbringen. Ihre Mutter erlaubte den Kontakt und so verbrachte Susanna ihre Wochenenden oft bei ihrem Papa.

Es dauerte allerdings nicht lange, bis sich die Gewalt des Vaters auch gegen Susanna richtete – oftmals verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit.

Er war sehr geschickt. Er hat mir nie ein Veilchen gehauen. Es gab blaue Flecken, aber er hat nie so zugeschlagen, dass man es hätte sehen können.

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„Wenn du nicht machst, was ich sag, lass ich los!“

In einer Szene, an die sich Susanna noch deutlich erinnert, packte ihr Vater sie am Hals und hielt sie daran mit der Drohung aus dem Fenster: „Wenn du nicht machst, was ich sag, lass ich los!“ Trotz Erinnerungen wie dieser hat Susanna auch positive Erinnerungen an ihren Papa: „Er konnte auch sehr nett und charmant sein!

Seine gute Seite, erzählt sie, zeigte er beispielsweise, wenn sie sonntagmorgens zusammen auf der Couch kuschelten, wenn sie im Wald spazieren waren und er mit ihr Pilze sammelte, während er ihr die Bäume und Tiere des Waldes erklärte.

Dass diese Ambivalenz häufig vorkommt, weiß Kathinka Beckmann. Sie ist Professorin für Kinder- und Jugendhilfe und lehrt zu den Themen Kinderschutz und Gewalt gegen Kinder an der Hochschule Koblenz.

Sie erklärt, dass bei vielen Tätern auf deren Gewaltausbrüche oftmals Schuldgefühle sowie Geschenke und Belohnungen für die Kinder folgen:

Es gibt viele Täter, die häufig tolle Ausflüge mit ihren Kindern gemacht haben, die Entschuldigungsgeschenke zur Wiedergutmachung schenken und viel Zeit mit ihren Kindern verbringen.

Vor ihrer Mutter hielt Susanna den Missbrauch geheim. „Meine Mutter hat regelmäßig gefragt, ob alles okay ist und ich hab gesagt: Ja, ich geh gern zum Papa.“

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Wer in einer Partnerschaft Gewalt erfährt, kann Hilfe bekommen – sowohl schnell in einer Gefahrensituation als auch langfristig. Welche Möglichkeiten Betroffene haben, erklärt die Anwältin Juliane Hilbricht.

Erinnerungen, die unter die Haut gehen

Mit 12 brach Susanna den Kontakt mit ihrem Vater ab, als sie 14 war, verstarb er. Die ambivalenten Erinnerungen an ihn trägt sie heute sogar als Tattoo unter der Haut. Das Motiv: Lilien – die Grabblumen ihres Vaters. „Ich wollte irgendetwas haben, das mich an ihn erinnert. [...] Mit diesem Tattoo habe ich versucht, abzuschließen.“

Noch heute fühlt sich Susanna unwohl in Situationen, die sie nicht überblicken kann. Im Restaurant sitzt sie gerne an der Wand mit Blick in den Raum, bei Freunden zuhause hatte sie lange Zeit Angst, etwas falsch zu machen, gegen die „Hausregeln“ zu verstoßen, erzählt sie. Trotzdem blickt sie optimistisch in die Zukunft:

Ich habe mich entschieden, mich auf das Positive zu konzentrieren.

Eine tolle Einstellung und eine starke Frau, finden auch unsere Podcast-Hosts. ❤ Die ganze Geschichte von Susanna hört ihr im Podcast „Der Gangster, der Junkie und die Hure“ auf SWR3.de, in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

Gewalt an Kindern: 3 Tipps, wie du helfen kannst

Oft bleibt Gewalt gegen Kinder lange unerkannt – Gewalt hat viele Gesichter, nicht immer gibt es sichtbare, körperliche Wunden. Umso wichtiger ist es, sich für das Thema zu sensibilisieren, um im Ernstfall aktiv werden zu können. Wir haben Tipps dazu von Beratungsstellen und Fachpersonal gesammelt.

1. Sei aufmerksam

Die Polizei-Beratung fasst auf ihrer Website Merkmale zusammen, die auf Gewalt oder Vernachlässigung bei Kindern hinweisen können.

Bei physischer Gewalt gibt es häufig körperliche Anzeichen wie Blutergüsse oder Wunden. Für psychischen Missbrauch gibt es häufig keine sichtbaren Merkmale. Daher ist es umso wichtiger, mögliche Verhaltensänderungen des Kindes aufmerksam zu beobachten:

  • Zieht sich das Kind plötzlich zurück?
  • Ist es auf einmal ungewöhnlich aggressiv oder ruhig?
  • Gibt es andere Anzeichen – beispielsweise Sprachstörungen oder Bettnässen?

2. Höre gut zu

Höre zu, wenn Kinder von Gewalt zu Hause erzählen – und vor allem: Nimm die Kinder und ihre Schilderungen ernst! Oft kann es hilfreich sein, keinen Druck auf das Kind auszuüben, sondern Ruhe und Sicherheit zu vermitteln und erstmal einfach zuzuhören.

3. Wende dich an Fachstellen

Bei Verdacht auf Kindesmisshandlung ist rasches Eingreifen gefragt! Handle nicht selbst, sondern überlasse die weitere Abklärung und erforderliche Interventionen Fachleuten, wie zum Beispiel Beratungsstellen, dem Jugendamt und der Polizei.

Unsere Quellen

Transparenz ist uns wichtig! Hier sagen wir dir, woher wir unsere Infos haben!

Die Bundesregierung und ihre Ministerien informieren auf ihren Websites über Aktuelles, verschiedene Themen und Gesetze, die sie auf den Weg bringen.

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