Lauwarm machen laut ihrer Website „Mundart Reggae gespickt mit Pop, Indie und Worldmusic“. Das klingt recht entspannt und ein entspannter Sommerabend sollte es am 18. Juli eigentlich auch werden, als die Gruppe in Bern ein Konzert gibt. Es findet statt im Biergarten der „Brasserie Lorraine“, einem genossenschaftlich geführten Restaurant. Doch nach der Pause wird das Konzert abgebrochen – wegen Vorwürfen der kulturellen Aneignung.
Kulturelle Aneignung? Band ist überrascht
Bandleader Dominik Plumettaz berichtete dem Schweizer Newsportal 20min.ch vom Konzertabend. Die Band sei „total überrascht und perplex“ gewesen. Ihnen sei zuvor noch nie kulturelle Aneignung vorgeworfen worden. Plumettaz fragt sich, wieso die Kritiker nicht einfach gegangen seien, wenn es ihnen nicht gefallen habe. Die Mehrheit des Publikums habe das Konzert fortsetzen wollen.
Nach dem Abbruch habe Lauwarm noch mehrere Stunden Gespräche mit den Anwesenden geführt. Die Gäste, die sich unwohl gefühlt haben, hätten sich allerdings nicht bei ihnen gemeldet.
Wenn man sich inspiriert fühlt und etwas Positives aus einer anderen Kultur mitnehmen und weitertragen kann, ist das doch megaschön. Für jede Kultur. Ich weiß gar nicht, was ich mit dem Begriff anfangen soll. Für uns ist er auch verletzend. Ich habe Vorfahren aus Afrika. Einer in unserer Band, der Dreadlocks hat, hat eine dunkelhäutige Frau und ganz viele Freunde aus afrikanischen Ländern. Uns Rassismus und Diskriminierung vorzuwerfen, ist daneben.
So sieht ein Konzert von Lauwarm aus:
Gäste fühlen sich „unwohl“ – Konzert wird abgebrochen
Wie die Brasserie am Montag (25. Juli) auf ihrer Facebook-Seite schrieb, seien während des Konzerts unabhängig voneinander mehrere Menschen auf sie zugekommen und hätten „Unwohlsein mit der Situation“ geäußert. Dabei sei es um „kulturelle Aneignung“ gegangen. Nach einem Gespräch mit der Band habe man sich gemeinsam dazu entschieden, das Konzert abzubrechen. Die Verantwortung sehe die Brasserie bei sich, da sie die Band eingeladen habe.
Daher möchten wir uns bei allen Menschen entschuldigen, bei denen das Konzert schlechte Gefühle ausgelöst hat. Wir haben es verpasst, uns im Vorherein genug damit auseinanderzusetzen und euch zu schützen.
Am Dienstag (26. Juli) veröffentliche die Brasserie ein weiteres Statement auf ihrer Website und Facebook-Seite. Darin ist von „Überforderung“ die Rede.
„Brasserie Lorraine“ lädt zu Diskussionsrunde und erntet Shitstorm
Das Thema sei emotional aufgeladen, stellen die Veranstalter fest – und laden deshalb zu einer „Diskussionsrunde zum Thema kulturelle Aneignung“ am 19. August ein. Unter diesem Post und vielen weiteren, die mit dem Konzert und dem Thema gar nichts zu tun haben, prasseln derweil viele Kommentare ein. Der Tenor scheint zu sein, dass für den Konzert-Abbruch kein Verständnis herrscht.
Unter einem Gesuch für einen neuen Fahrradanhänger für die Brasserie merkt ein Kommentator beispielsweise an, dass die Urform des Fahrrads 1817 in Mannheim erfunden worden sei und sie deshalb keine Berechtigung hätten, es zu nutzen. Das sei kulturelle Aneignung, er fühle sich bedroht und unwohl.
In weiteren Kommentaren wird in Frage gestellt, ob die Brasserie überhaupt Karaokeabende oder Tischfußballturniere veranstalten dürfe, denn diese seien ja japanisches Kulturgut beziehungsweise englische Kultur.
Über den aktuellen Vorfall in Bern und die Debatte über kulturelle Aneignung berichtet Kathrin Hondl aus der Schweiz:

Nachrichten #talklauwarm – Schweiz debattiert über kulturelle Aneignung
- Dauer
Unter dem Hashtag #talklauwarm läuft in der Schweiz gerade eine recht hitzige Debatte. Es geht um die Berner Band „Lauwarm“. Die hatte vergangene Woche ein Konzert abgebrochen, nachdem sich Leute aus dem Publikum beschwert hatten. Vorwurf: Kulturelle Aneignung - weil die Bandmusiker (fünf weiße Männer) Dreadlocks haben und in afrikanischen Klamotten Reggae spielen. Den Hashtag #talklauwarm hat die Band selbst heute in den sozialen Medien lanciert, um „über die Definition und Unterschiede von Inspiration und Aneignung“ zu diskutieren.
Auch Lauwarm wollen mit Fans diskutieren
Auch die Opfer der ganzen Debatte, die Band Lauwarm, will mit ihren Fans diskutieren. „Grundsätzlich denken wir, dass über die Definition und Unterschiede von Inspiration und Aneignung diskutiert werden muss“, schreibt die Gruppe auf Instagram und lädt unter dem Hashtag #talklauwarm zum konstruktiven Austausch ein.
Wir begegnen allen Kulturen mit Respekt. Wir stehen aber auch zu der Musik, welche wir spielen, zu unserem Erscheinungsbild und zu unserer Art, wie wir sind.
Nicht der erste Vorwurf an weiße Musiker mit Dreadlocks
Bereits im März gab es einen Eklat rund um Vorwürfe der kulturellen Aneignung, als eine Fridays-for-Future-Lokalgruppe eine weiße Musikerin mit Dreadlocks zuerst ein-, dann aber wieder auslud – eben wegen ihrer Frisur. Woher Dreadlocks kommen und wofür sie stehen, liest du hier: