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AUTOR/IN
Sebastian Lehmann
ONLINEFASSUNG
Felix Stängle

Was ist denn nun besser? Die erste oder zweite Klasse? Fakt ist, auch wer mehr Geld ausgibt, kommt zur selben Zeit am Ziel an.

Ich bin mit dem ICE unterwegs. Der Schaffner betrachtet abfällig mein Super-Sparpreis-Ticket, 2. Klasse, ohne Reservierung für 14,90 € von Freiburg nach Berlin, das ich schon vor Monaten gekauft habe, weil ich gern spare. Kopfschüttelnd geht er weiter und kontrolliert ein Touristenpärchen. 

Sie ham aba erste Klasse“, sagt er zu den beiden. 

Die Touris lächeln entschuldigend. „Sorry, no german.“ „Sie tue in der falsche Klass sitze, Herrgottnochmal!“, ruft der Schaffner, immerhin jetzt lauter. 

Wenn sie kein Deutsch können, dann verstehen sie wahrscheinlich auch kein Badisch“, versuche ich zu vermitteln. „Ruhe auf den billigen Plätzen!“ Der Schaffner streicht seinen beeindruckenden Schnurrbart zurecht. Er erinnert mich irgendwie ein wenig an meinen Vater. 

Is this ticket wrong?“, fragen die Touristen schüchtern. „Yes!“, ruft der Schaffner. „It’s for a Platz in One Class!“ 

Wenn die Touristen nicht wollen, dann würde ich mich opfern und stattdessen in die 1. Klasse wechseln…“ „Sie sind hier genau richtig in der 2. Klasse, Sie Schmarotzer. 14,90 € für 800 Kilometer Bahnfahrt. An Leuten wie Ihnen geht dieses Land zugrunde.“  

Sorry, can we please stay here.“ Die Touris deuten auf ihre riesigen Koffer, die sie nicht durch den Zug schleppen wollen. „Dann brauchen Sie aber ein Ticket für die 2. Klasse. Das wird teuer!“ 

Das können Sie nicht machen! 1. Klasse ist doch viel besser als hier. Ich habe gehört, dort gibt es umsonst Schokolade und die Wasserhähne in der Toilette sind aus Gold." „Na gut, kommen Se mit!“ Der Schaffner schleift mich in die 1. Klasse. „Hier hinsetzen!“ Er bugsiert mich auf einen Platz zwischen drei telefonierenden Geschäftsmännern, die mich misstrauisch beäugen und schnell ihre Tablets und vor 500 €-Scheinen überquellenden Geldbeutel an sich reißen. Dann rufen sie abwechseln laut „Verkaufen!“ und „Businessplan“ in ihre Handys und löffeln dabei stinkenden Kaviar aus Tupperdosen. 

Viel Spaß and thank you for travelling with the großartige Deutsche Railroad!“, sagt der Schaffner und spaziert zurück in die entspannte 2. Klasse. 

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