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Vanessa Valkovic
Vanessa Valkovic (Foto: SWR3)

Die Mutter bleibt erstmal zu Hause, arbeitet dann in Teilzeit und kümmert sich um Haushalt und Kindererziehung – dafür entscheiden sich noch immer viele Paare. Autorin Stefanie Lohaus zeigt, wie es anders geht.

Kind und Karriere – geht das? Nein, finden 44 Prozent der Frauen in einer Studie des Marktforschungsinstituts Appino und 5050 by OMR aus dem Jahr 2022. Für die Mehrheit mit 66 Prozent ist demnach die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben der Grund, 55 Prozent fürchten eine potenzielle Überbelastung, 41 Prozent geben Wiedereinstiegsoptionen in den Beruf an. Woran liegt das? „Das liegt daran, dass die Frauen wahrnehmen – auch wenn sie noch keine Kinder haben – dass wir in Deutschland nicht die optimalen Bedingungen haben,“ sagt Stefanie Lohaus im Interview mit SWR3. Sie ist Autorin des Buches Papa kann auch stillen, indem sie darüber spricht, wie sich ihr Mann und sie beim Thema Kinder gleichermaßen aufteilen. „Es gibt Probleme, die staatlich gelöst werden könnten, aber dann gibt es auch Probleme in den Köpfen. Und beides bedingt sich gegenseitig, oder bestätigt sich gegenseitig.“

Kinder, Haushalt und Beruf – wie klappt das?

Lohaus hat selbst zwei Kinder, die sechs und zehn Jahre alt sind. Sie teilt sich von Anfang an Haushalt und Kindererziehung zu gleichen Teilen mit ihrem Partner. Diese Entscheidung fiel bereits während ihrer ersten Schwangerschaft. „Die Initiative ging von mir aus“, lacht Lohaus.

Die ersten Fragen für sie und ihren Partner: Wie wird die Elternzeit aufgeteilt? Und was passiert direkt nach der Geburt? „Wir haben es von vornherein durchgeplant,“ erzählt sie. „Wir haben dann die verschiedenen Bereiche aufgeteilt, zum Beispiel auch so Themen wie: Wer kümmert sich ums Auto oder wer kümmert sich um Geschenke für Kindergeburtstage.“ Auch der Haushalt wurde aufgeteilt. „Ich mache etwa ungern die Wäsche und mein Mann findet das unproblematisch. [...] Ich putze lieber die Küche.“ Wichtig sei dabei vor allem die Absprache – zwischendurch habe das Paar sogar Excel-Tabellen angelegt, um den gemeinsamen Alltag mit Beruf und Kinder zu organisieren. „Wir haben die Zuständigkeiten und Abläufe verändert oder angepasst, wenn wir gemerkt haben, das ist viel mehr Arbeit als gedacht." Sonntags werde immer ein Wochenplan erstellt. Ein wichtiges Thema sei bei ihrer Planung auch die Freizeit: „Wir brauchen beide auch Zeit für uns selbst und die nehmen wir uns auch.“

Es steht im Widerspruch zu romantischen Beziehungsvorstellungen, dass sich alles von selber erledigt und man sich nur tief in die Augen gucken muss und das ist dann die wahre Liebe. Es hat etwas von Projektmanagement. Auch daran kann man sich gewöhnen und es kann trotzdem romantisch sein.

Auch die Elternzeit hat sich das Paar frei eingeteilt. Drei Monate nach der Geburt kehrte Lohaus zurück in ihren Beruf. „Ich bin schnell auch wieder in den Beruf eingestiegen, mit relativ wenig Stunden, also 16 Stunden. [...] Am Anfang muss der Körper sich auch einfach erholen und man schläft wenig und stillt.“

Für Lohaus ein großes Problem: Das Thema Kinderbetreuung in Deutschland. Das habe sich durch die Corona-Pandemie verschlechtert, so Lohaus: „Meine Kinder sind jetzt zehn und sechs – vor Corona gab es das bei uns in Berlin nicht, dass Kindergärten angerufen haben und gesagt haben, wir können die Kinder nicht betreuen. Es ist keine zuverlässige Betreuung mehr gesichert, auch nicht in Berlin, wo die Betreuungssituation immer besser war als in anderen Bundesländern.“ Die Probleme fangen für Lohaus schon bei den Rahmenbedingungen an: Kinderbetreuung ist zum Teil sehr teuer. Wie viel Eltern für einen Kitaplatz zahlen müssen, hängt stark vom Wohnort ab. Denn die Gebühren werden auf kommunaler Ebene festgelegt. Während sie in manchen Städten abgeschafft wurden, zahlen Eltern in anderen zum Beispiel 400 Euro monatlich. Wieder berufstätig zu werden kann also je nach Einkommen auch eine rechnerische Frage sein.

Um sich weiterhin zu gleichen Teilen um Haushalt und Kinder kümmern zu können, arbeiten Lohaus und ihr Partner beide auch heute noch nicht Vollzeit, sondern zu etwa 80 Prozent. Beide verdienen etwa gleich viel, die Gehälter werden geteilt. Das finde sie auch wichtig, wenn einer weniger verdient, erklärt die Autorin – damit auch die Arbeit zu Hause entlohnt wird. In Deutschland ist eine solche Aufteilung aber nicht die Regel. „In vielen Beziehungen würde es vielleicht anders gehen, aber es hat sich eingeschliffen und etwas daran zu rütteln würde zu Konflikten führen. Für viele Menschen ist Weiblichkeit und Männlichkeit nach wie vor eng mit bestimmten Tätigkeiten verbunden. Der Mann muss der Familienernährer sein. Die Frau ist für die Kinder und den Haushalt zuständig.  In dem Sinne erschüttert dann eine andere Arbeitsaufteilung auch das eigene Weltbild.“

Mehrheit der Frauen sind alleine für die Care-Arbeit zuständig

Das Thema Rollenaufteilung zeigt sich auch die Studie zur Vereinbarkeit von Kindern und Karriere. 62 Prozent der befragten Frauen erledigen demnach die sogenannte Care-Arbeit zu Hause überwiegend alleine. Care-Arbeit, das meint Tätigkeiten, bei denen es darum geht, sich zu kümmern – um den Haushalt, die Kinder oder pflegebedürftige Angehörige. Um ein Kind zu bekommen, braucht es bekanntlich aber zwei Personen: Warum zeigt sich bei den Vätern kein ähnliches Bild wie bei den Frauen? Lohaus findet: Frauen tragen in manchen Fällen auch selbst dazu bei, zum Beispiel in dem sie sich zuständig fühlen.

Das würde ich ganz eindeutig sagen hat etwas mit Sozialisation und Geschlechterstereotype zu tun. Da gibt es keinen sachlichen Grund. Gar keinen, kann ich jetzt aus Erfahrung sagen. Weder Kindererziehung, noch -betreuung, noch spülen oder Wäsche zusammenfalten ist ein geschlechtlicher Vorgang. Das können alle Menschen gleich gut oder gleich schlecht.

Dass Lohaus und ihr Partner sich Kinder und Haushalt teilen, um beide gleichberechtigt ihren Berufen nachgehen zu können, sorgt in ihrem privaten Umfeld eher für positive Rückmeldungen, erzählt sie – zumindest überwiegend. „Ein Familienmitglied auf der Seite meines Mannes hat gesagt, dass mein 'armer Mann immer so viel helfen muss',“ schmunzelt die Autorin.

Viele Männer nehmen nur zwei „Vätermonate“

Die Politik wollte 2007 mit dem Elterngeld einen Wendepunkt einläuten. Ein Aspekt davon: Das Geld wird zusätzlich zwei Monate gezahlt, wenn beide Elternteile die Elternzeit in Anspruch nehmen. Eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, die im Dezember 2022 veröffentlicht wurde, zeigt: Zunehmend mehr Männer nehmen nach der Geburt bezahlte Elternzeit. Aber: Von denen, die sie beanspruchen, beziehen laut Bundesinstitut drei von vier Vätern zwei Monate Elterngeld, größtenteils zeitgleich mit der Partnerin – eine alleinige Verantwortung der Väter für die Kinderbetreuung nach wie vor selten. „Wir hängen da im Vergleich zu anderen Industrienationen zwanzig bis dreißig Jahre hinterher“, sagt Lohhaus. Das treffe in vielen Gleichstellungsfragen auf das Land zu. „Nicht immer ist Deutschland in den Rankings ganz unten, aber diese Geschlechtervorstellung und dieses Mütter-Ideal ist in Deutschland besonders stark ausgeprägt.“

Teilzeit und Karriere – geht das?

Kinder bekommen, eine Familie gründen – das heißt für viele Frauen in Deutschland noch immer: Irgendwann wieder arbeiten, aber in Teilzeit. Für Lohaus muss sich auch deshalb in Unternehmen der Blick auf das Thema Teilzeitarbeit ändern:

Es gibt ja den so genannten Teilzeit-Bias – also die Vorstellung, dass Menschen in Teilzeit einfach nicht so viel leisten oder zum Beispiel keine Führungsaufgaben übernehmen können. Und das stimmt de facto nicht. [...]. Und das wäre etwas, das sich ändern muss: Die Vorstellung, dass ich nur eine gute, leistungsfähige Arbeitskraft bin, wenn ich 40 Stunden plus Überstunden ableiste.

Auch Männer sollten sich nicht zurücklehnen, sondern sich überlegen, welchen Anteil sie leisten könnten, so Lohaus – was an Arbeit übernommen werden könnte, ob Teilzeitarbeit möglich ist und was vielleicht auch der eigene Gewinn daraus sein könnte – zum Beispiel eine gute Beziehung zu den eigenen Kindern.

Man sollte sich [als Frau] klar sein, was man verpasst und welche Chancen man abgibt. Unsere Arbeitswelt ist leider Gottes so strukturiert, dass sie längere Fehlzeiten nicht verzeiht. Die Zeit, in der Kinder sehr klein sind und sehr anstrengend, die ist relativ kurz. Ich glaube man nimmt sich viele Chancen und Möglichkeiten, zum Beispiel an Unabhängigkeit und Entwicklungsmöglichkeiten, wenn man das Berufliche aufgibt.

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