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Kira Urschinger
Kira Urschinger

Wenn die Verliebtheitsphase vorbei ist, beginnt das Abstecken von Grenzen. Wie schaffe ich es da, mir in einer Partnerschaft am besten auch selbst treu zu bleiben?

Frisch verliebt wollen wir vermutlich erst einmal möglichst viel Zeit mit dem Partner oder der Partnerin verbringen. Beide suchen nach Gemeinsamkeiten, basteln an einem „Wir“-Gefühl – so weit so harmlos. „Gerade in der Verliebtheitsphase haben wir nur Augen für unser Gegenüber. Das ist normal, denn wir schütten vermehrt Dopamin und Serotonin frei. Dopamin, das oft als 'Belohnungshormon' bezeichnet wird, spielt dabei eine zentrale Rolle, denn es ist für die Entstehung von Lust und Freude verantwortlich“, sagt Julia Henchen gegenüber SWR3. Sie ist Paar- und Sexualtherapeutin in Tiefenbronn in Baden-Württemberg.

In der Verliebtheitsphase ist der Fokus auf die Beziehung normal

Erst einmal geht es uns also gut damit, uns zu fokussieren – auch wenn da natürlich die klassische rosarote Brille noch im Spiel ist und das alles von außen betrachtet vielleicht nicht viel mit der Realität zu tun hat. Da müssen jetzt Freunde und die Familie einfach durch. Der Körper von Verliebten ist in dieser Zeit völlig dominiert von natürlichen Drogen, da kann man nichts machen, sondern freut sich am besten einfach an den Hochgefühlen:

Die erhöhte Dopamin-Aktivität kann dann also dazu führen, dass sich die Person sehr positiv und aufgeregt fühlt, wenn sie in der Nähe des Partners ist, was zu einer erhöhten Aufmerksamkeit für diesen Person führt. In der Verliebtheitsphase wird die Wahrnehmung außerdem oft selektiver. Die Person kann dazu neigen, die positiven Eigenschaften und Merkmale des Partners verstärkt wahrzunehmen. Wir haben also nur noch Augen für den anderen und unsere ganze Wahrnehmung ist auf diese Person gerichtet.

#foreverlove 5 Tipps für eine glückliche Beziehung – so bleibt die Liebe länger frisch!

Warum Sex nicht alle Probleme löst, lachen unheimlich wichtig ist und Macht in der Beziehung eine wichtige Rolle spielt: Hier sprechen wir darüber.

Wann ist die Verliebtheitsphase in der Beziehung vorbei?

Experten sprechen von etwa 3 bis 12 Monaten, dann lässt der Hormoncocktail allmählich nach und es meldet sich so langsam die Realität. Für Therapeutin Henchen beginnt jetzt eine spannende Phase: Hier geht es zwar immer noch viel um Kompromisse und Anpassung, es beginnt aber auch die Zeit des Absteckens von Grenzen.

  • Was passt bei uns zusammen und was nicht?
  • Habe ich Hobbys, mit denen der andere gar nichts anfangen kann, mache sie aber trotzdem weiter?
  • Gehen wir im Urlaub gemeinsam ans Meer oder in die Berge, wenn wir da eigentlich unterschiedliche Vorlieben haben – oder sogar allein, ohne Partner oder Partnerin?

Jetzt müssen wir uns einer neuen Realität stellen: Wer ist diese Person wirklich? In dieser Zeit ist es also normal, dass wir uns anpassen, dass unsere Beziehung fast schon symbiotisch ist. Während dieser Phase ist es schwierig, dem zu ‚entkommen‘, aber gerade dann, wenn die Beziehung sich wieder einer neuen Realität stellen muss, ist es wichtig, dass jede Person wieder eigene Interessen und Hobbys verfolgt, oder dann auch Kompromisse eingeht, was die Urlaubsplanung anbelangt.

Wie erkenne ich, ab wann ich zu viel von mir für die Beziehung aufgebe?

Uns von SWR3 ist es wichtig, keine Probleme dort zu machen, wo keine sind. Menschen sind unterschiedlich und alle dürfen ihre Beziehung so führen, wie sie es für richtig halten. Es gibt niemals eine Lösung für alle und was für den einen falsch sein kann, ist für den anderen richtig. Wichtig ist vor allem, dass Paare miteinander Kompromisse aushandeln – also nicht einer der anderen dazu zwingt, immer mehr aufzugeben. Beide haben Bedürfnisse, die gleichermaßen wichtig sind.

Toxische Beziehung – das System von Abhängigkeit und Selbstaufgabe

Toxische Beziehungen beispielsweise zeichnen sich konkret dadurch aus, dass ein Partner oder eine Partnerin Macht über die oder den anderen ausübt und den anderen bewusst klein macht. Da zählt nur, was der eine will und der andere ist eigentlich egal. Ein extremes Beziehungsmuster, das von Abhängigkeiten lebt. Wenn du dich dafür interessierst, gibt es hier einen Selbsttest für toxische Beziehungen.

Junges Paar steht lachend vor einer durch zwei Farben getrennten Wand. Sie schlagen sie ab und sehen glücklich aus mit der Beziehung.
In einer Beziehung müssen oft beide einen Schritt auf den anderen zugehen – klar, man braucht keine Partnerschaft zu führen, wenn man kein „Wir“ entwickeln will und nicht bereit ist, auch mal Kompromisse einzugehen. Das heißt aber nicht, dass man sich selbst komplett auflösen muss.

Wichtig: Die Balance zwischen Kompromiss und eigenen Bedürfnissen

Für die meisten Beziehungen aber gilt nach der Verliebtheitsphase, da sind sich Experten einig: Es geht immer um die Balance. Natürlich gehört es dazu, nicht nur seinen eigenen Stiefel durchzuziehen, sondern auch darum, aufeinander zuzugehen und Kompromisse zu schließen.

  • Eine Beziehung ohne „Wir“ wird wohl nicht besonders substanziell werden.
  • Eine Beziehung, in der nur noch ein „Wir“ existiert, aber das „Ich“ keinen Raum mehr findet, kann hingegen erdrücken, verletzen und sich irgendwann vollständig des Glücks entleeren.

Therapeutin Julia Henchen erklärt das Problem:

Paare, die immer mehr zu einem ‚Wir‘ verschmelzen kann, können sich selbst verlieren. Diese Paare nennen wir symbiotische Paare. Unter einer symbiotischen Beziehung versteht man die Symbiose zweier Menschen in einer Paarbeziehung und die daraus resultierende Abhängigkeit voneinander. Diese Abhängigkeit kann natürlich auch gefährlich werden, da sich beide darin verlieren. Auch dann, wenn eine Person aussteigt, kann sich die andere Person extrem verloren und verlassen vorkommen.

Ein Blick von außen auf die Beziehung kann helfen

Wenn man sich nicht so ganz sicher ist, ob das sich alles die Waage hält, hilft oft ein Blick von außen – von Menschen, die uns das Glück in der Liebe gönnen, uns gut kennen, aber auch ehrlich zu uns sein können:

Einen guter Hinweis kann uns ein guter Freund oder Freundin geben oder unsere Familie. Wie schätzen sie es ein? Aber auch die Version unseres früheren Ichs – was würde ich selbst darüber denken, wenn ich mich vor ein paar Monaten danach gefragt hätte? Und natürlich ist es wichtig zu prüfen, wie es einem selbst damit geht. Verliere ich mich? Passe ich mich nur noch an und habe das Gefühl, nicht mehr ich selbst zu sein? Dann besteht Handlungsbedarf.

Zwei Freundinnen sitzen in einem Café, vor ihnen auf dem Tisch stehen die Getränke. Sie lachen gemeinsam, vielleicht über die Storys aus Partnerschaft und Liebe, die sie einander erzählen.
Freunde haben oft einen guten Blick darauf, wie man sich mit einer neuen Partnerschaft verändert. Das kann helfen, um Anzeichen früh zu erkennen, wenn etwas schiefläuft.

5 Tipps, wie du dir in einer Partnerschaft selbst treu bleibst

Jetzt aber ganz praktisch: Wenn die Verliebtheitsphase vorbei ist und ich merke, dass ich mich selbst verliere oder es sich in eine falsche Richtung entwickelt, was kann ich dann tun? Hier sind 5 Tipps für den besten Umgang damit in der Partnerschaft, die von Therapeuten empfohlen werden:

1. Kommunikation ist der Schlüssel in der Beziehung

Wenig überraschend, aber ja: Reden hilft.Ein Gespräch darüber, was Freiheit für dich bedeutet und wie du dich in der Beziehung fühlst, kann helfen. Auch darüber zu sprechen, wie es sich für den anderen anfühlt, wenn man Dinge nicht gemeinsam unternimmt, zum Beispiel bei einem Urlaub ohne Partner oder Partnerin, kann aufschlussreich sein“, so Julia Henchen.

2. Bedürfnisse klar äußern – und die des Partners respektieren

Was besonders wichtig ist bei der Beziehungskommunikation: Eine Atmosphäre zu schaffen, in der alle über ihre Bedürfnisse offen sprechen können und keine Angst vor der Reaktion des anderen haben müssen. Die Bedürfnisse beider Partner oder Partnerinnen sollten gleich wichtig sein und: Jeder darf auch sich selbst im Blick behalten.

3. Selfcare in einer Liebesbeziehung ist nicht selbstsüchtig

Für die Therapeutin ist klar: „Eigenen Interessen, Hobbys und Bedürfnisse nicht zu vernachlässigen, ist wichtig. Zeit für sich selbst zu nehmen, um sich zu erholen und persönlich zu wachsen, kann die Partnerschaft ebenfalls beflügeln. Individuelle und gemeinsame Zeit zu besprechen und sich zu Dates vereinbaren kann außerdem helfen, beides im Blick zu behalten. Auch ‚eigene‘ Freunde können Selfcare sein.Selbstliebe ist demnach die Voraussetzung dafür, auch andere lieben zu können – sich um sich selbst zu kümmern die beste Ausgangslage, um die Beziehung zu kümmern.

4. Offenheit gegenüber Veränderung ist wichtig – klare Grenzen aber auch

Wer länger als nur die wenigen Monate der Verliebtheitsphase miteinander verbringen möchte, wird feststellen, dass man irgendwann mit einem anderen Menschen zusammen ist als mit dem, in den man sich mal verliebt hat. Ist das ein Problem? Nein, eine Notwendigkeit, findet Paar- und Sexualtherapeutin Julia Henchen im SWR3-Interview:

Menschen und Beziehungen entwickeln sich im Laufe der Zeit. Das ist ok und normal, sei offen dafür, dass ihr als Partner und Einzelpersonen wachsen könnt. Aber auch Grenzen sind für die eigene Individualität wichtig: Themen wie Privatsphäre, Raum und individuelle Entscheidungen sollten daher immer respektiert werden.

Entwicklung bei anderen und bei sich selbst zuzulassen, ist demnach ein wichtiger Weg, den man für die Liebe zusammen beschreiten und erhalten sollte.

5. Respekt und Unterstützung: Die Basis einer glücklichen Partnerschaft

Mit der Zeit nähern sich Paare einander so an, dass sie irgendwann sogar quasi gleich aussehen“, war mal so ein Gerücht, das mittlerweile von Studien eher widerlegt oder zumindest schwer in Frage gestellt wurde. Es ist also nicht unser Schicksal, dass wir uns in einer Partnerschaft irgendwann so ähnlich sind, dass wir nur noch im Partnerlook rumlaufen und unausgesprochen genau dieselben Gedanken oder gar Bedürfnisse haben. Umso wichtiger sind der gegenseitige Respekt und die Unterstützung in einer Partnerschaft – auch, wenn er oder sie etwas alleine machen möchte.

Den anderen in seinen Wünschen zu unterstützen, zum Beispiel für eine Tour allein mit dem Bus durch Frankreich, und gleichzeitig Respekt für diese Entscheidung zu haben, zeugt von Größe. Die eigenen Wünsche dürfen und sollten aber auch immer benannt werden. Zum Beispiel: ‚Ich wünsche mir, dass wir so etwas gemeinsam machen, weil ich gerne Neues mit dir erleben und meine Momente teilen will.‘

Was tun, wenn ich merke, dass Freunde sich in der Partnerschaft aufgeben?

Wie gesagt, ist es oft der Blick von außen, der helfen kann, um sich in einer Partnerschaft noch einmal selbst zu hinterfragen. Bedeutet umgekehrt: Freunde und Familie merken oft schon früher, wenn eine Partnerschaft in eine Schieflage gerät oder jemand sein „Ich“ im „Wir“ verliert. Denn gilt es, das Gespräch zu suchen. Therapeutin Henchen rät: „Dabei neugierig bleiben und Interesse an der Veränderung zeigen“, also fragen: „Warum ist das so? Wie geht es dir damit?“ Denn: Veränderungen sind nicht immer schlecht.

Wenn ich als Freund oder Freundin Angst habe, zum Beispiel davor, die Freundschaft zu verlieren, darf ich auch das offen kommunizieren. Da gilt eigentlich dasselbe wie in der Liebesbeziehung: Miteinander zu sprechen und die eigenen Bedürfnisse genauso zu respektieren wie die des anderen, ist der Schlüssel für vieles und macht das Miteinander auch in einer Auseinandersetzung belastbar.

Wie ist deine Meinung zu diesem Thema, welche Erfahrungen hast du schon gemacht? Unter unserem Post hier kannst du mitdiskutieren:

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