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Gabor Paal, Manuel Gerber, Online: Kira Urschinger, SWR3

Wenn wir „Tierversuche“ hören, sind wir schnell dabei, uns zu empören. Aber vieles wäre ohne Tierversuche vielleicht nicht möglich – vor allem in der Medizin. Und es gibt strikte Regeln für die Versuche in der Wissenschaft.

Um Versuche an Tieren durchzuführen, muss ein Wissenschaftler zunächst einen Antrag stellen. In Baden-Württemberg beim zuständigen Regierungspräsidium und in Rheinland-Pfalz beim Landesuntersuchungsamt.

So läuft ein Antrag für Tierversuche ab

Im Versuchsantrag muss der Forscher begründen, dass sein Versuch „unerlässlich“ ist. Dass er also nicht mit einer anderen – tierfreien – Methode durchgeführt werden kann. Die Schmerzen und das Leid der Versuchstiere müssen auf das unerlässliche Maß reduziert werden. Heißt konkret: Operationen nur unter Narkose, danach Schmerzmittel. Für die Versuche dürfen nur so viele Tiere wie unbedingt nötig verwendet werden.

Versuche in der Grundlagenforschung

Bei Versuchen in der Grundlagenforschung berät eine sechsköpfige, ehrenamtliche, Kommission die Behörde. Grundlagenforschung heißt: Keinen direkten Nutzen für den Menschen. Es geht um den reinen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn. Mindestens zwei Mitglieder der Kommission sind Vertreter von Tierschutzorganisationen, die anderen Wissenschaftler. Die Entscheidung, ob der Versuch genehmigt wird, liegt aber bei der Behörde. Die Kommission gibt nur eine Empfehlung ab.

Versuche in der Medikamentenentwicklung

Ist der Versuch gesetzlich vorgeschrieben, zum Beispiel für die Medikamentenentwicklung, gibt es gar keine Kommission. Der Versuch wurde ja schon einmal genehmigt und wird als Standard immer wieder durchgeführt.

Ausnahmen sind Versuche an Affen und wenn das Tier schweren Belastungen ausgesetzt werden soll. Diese Anträge landen immer in der Kommission.

Wenn ein Tier getötet wird, um Organe zu entnehmen und damit im Reagenzglas weiter zu forschen, heißt das „Töten zu wissenschaftlichen Zwecken“ und gilt nicht als Tierversuch. Der Forscher muss das lediglich der Behörde melden. Das klingt hart – ist aber tatsächlich Gesetz.

Beim Tierversuch gilt: Sind die gesetzlichen Voraussetzungen im Antrag „wissenschaftlich begründet dargelegt“, muss die Behörde den Versuch genehmigen. Andernfalls könnte der Antragsteller klagen.

Kritik des Tierschutzbundes

Der Tierschutzbund kritisiert, dass die Behörde nur prüfen kann, ob der Antrag plausibel ist und weiter keine Recherchen anstellen darf. Die Tierversuche werden von Tierärzten überwacht. Auch die Haltung der Tiere muss laut Gesetz unangekündigt überprüft werden. Bei Affen mindestens einmal im Jahr, bei anderen Tieren alle drei Jahre. Zu selten, kritisiert der Tierschutzbund.

Für Tierversuche gilt: Tiere sind nicht gleich Tiere

Tiere sind nicht gleich Tiere. Es gibt eine strenge Staffelung, welche Tiere in welchen Versuchsstadien genutzt werden dürfen.

Tierversuche mit Insekten und Würmern

Auf der untersten Stufe stehen Insekten und Würmer – mit denen können Wissenschaftler weitgehend machen, was sie wollen. Insekten und Würmer, so die Annahme, leiden nicht und fühlen keine Schmerzen. Endgültig beweisen lässt sich das zwar nicht, aber das ist zumindest herrschende Meinung von Biologen. Ob und welche Schmerzen ein Tier empfindet, können Wissenschaftler nur indirekt aus den Verhaltensweisen ableiten – und da können sich Erkenntnisse auch mal ändern.

Vor 20 Jahren etwa glaubten die meisten Wissenschaftler auch, dass Fische keine Schmerzen kennen, nicht zuletzt, weil sie nicht schreien. Das hat sich aber inzwischen geändert – Fische gelten als schmerzempfindlich, genau wie andere Wirbeltiere auch.

Tierversuche mit Wirbeltieren

Und so fangen die Einschränkungen für Tierversuche tatsächlich bei Wirbeltieren an. Dazu gehören Fische, Vögel, und natürlich auch Säugetiere wie Mäuse und Schweine. Tierversuche mit diesen Tieren müssen grundsätzlich genehmigt werden.

Allerdings haben Forscher inzwischen herausgefunden, dass vermutlich auch Tintenfische und bestimmte Krebsarten ebenfalls Schmerzen empfinden, deshalb sind diese Tiergruppen den Wirbeltieren im Tierschutz fast gleichgestellt. Noch strenger sind die Vorschriften aber für Affen, also Primaten.

Tierversuche mit Affen

Tierversuche mit Primaten sind nur erlaubt, wenn wirklich die Aussicht besteht, dass damit Krankheiten geheilt, bekämpft oder verhindert werden können und wenn es keine Alternative gibt, um das Ziel zu erreichen. Daneben dürfen auch nur Primaten verwendet werden, die eigens für Tierversuche gezüchtet wurden – jedes Tier muss einzeln registriert sein.

Diese Vorschrift gilt übrigens ausdrücklich auch für Hunde und Katzen – damit soll verhindert werden, dass Leute Hunde, Katzen und Affen fangen und sie an die Wissenschaft verkaufen.

Bei Affenversuchen handelt es sich fast immer um nicht-menschliche Primaten, Paviane zum Beispiel. Denn Menschenaffen, also Schimpansen oder Orang-Utans, sind nochmal ganz besonders geschützt. Tierversuche Mit ihnen sind in Europa grundsätzlich verboten – mit zwei Ausnahmen:

  • Wenn zum Beispiel eine Seuche bekämpft und ganz schnell etwa ein Impfstoff gegen eine neue Ebola-Epidemie entwickelt wird, dann können Tests auch an Menschaffen erlaubt sein.
  • Die zweite Ausnahme betrifft den Artenschutz: So ist es erlaubt, beispielsweise Verhaltensexperimente mit Orang-Utans zu machen, wenn es hilft, dadurch zu verhindern, dass sie aussterben.

Weshalb Versuche an Affen so besonders heikel sind und was die Versuche mit den Tieren machen, zeigt diese Dokumentation von Die Frage:

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Gabor Paal, Manuel Gerber, Online: Kira Urschinger, SWR3

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