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Björn Widmann
Björn Widmann

Die Mehrheit der Deutschen lehnt den Rechtsextremismus ab. Aber: Jeder zwölfte Deutsche hat laut einer Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung ein rechtsextremes Weltbild.

Außerdem wünschen sich sechs Prozent der Befragten, dass aus Deutschland wieder eine Diktatur wird. Sie sind der Meinung, dass es nur noch eine starke Partei geben sollte – und einen Führer.

Studie: Menschen mit rechten Tendenzen werden mehr

Sowohl die Menschen mit rechtsextremem Weltbild als auch die Menschen, die sich in Deutschland eine Diktatur wünschen, sind deutlich mehr geworden. Die Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung wird alle zwei Jahre durchgeführt.

In den letzten Studien seien es immer zwei bis drei Prozent der Befragten gewesen, die ein rechtsextremes Weltbild haben. Jetzt haben sich die Zahlen fast verdreifacht. Und auch die Diktatur-Befürworter sind mehr geworden: Waren es in den Vorjahren zwei bis vier Prozent, sind es dieses Jahr schon sechs Prozent.

Dass mittlerweile so viele Menschen solch extremes Gedankengut haben, schockiert Martin Schulz, den Chef der Friedrich-Ebert-Stiftung und ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten: „Ich hatte nicht mit einer solchen Beschleunigung gerechnet“, sagte Schulz im Gespräch mit SWR3.

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Wie fängt rechtes Denken an? SWR3-Reporter Nils Dampz will wissen, wie jemand zum Neonazi wird. Jemand, der sich aufgrund seiner Herkunft für etwas Besseres hält, jemand, der vielleicht irgendwann zu einem rechten Terroristen wird, der bereit ist, Menschen zu töten. Und um das herauszufinden, hat er sich ein Jahr lang immer wieder mit einem Ex-Neonazi getroffen. Mit Max. Max ist noch keine 20. Er war Teil einer Gruppe, die Deutschland retten wollte. Sie wollten Anschläge auf Holocaust-Denkmale verüben. Und nicht nur das.
Was Max zum Nachdenken gebracht hat, wie er den „Ausstieg“ geschafft hat und wovor er seitdem Angst hat – erzählt er ausführlich in unserem Podcast „SWR3 Report“. Außerdem gibt es konkrete Tipps – was zum Beispiel Eltern und Freunde machen können, wenn sie glauben, dass das Kind oder ein Freund in eine extremistische Ecke abzurutschen droht.

Martin Schulz: Menschen fehlt das Gefühl, geschützt zu sein

Die Zustimmung zur Demokratie hängt auch immer mit einem Gefühl von geschützt werden und Sicherheit zusammen“, sagt Schulz. Er habe den Eindruck, dass die Menschen wegen der ganzen Krisen den Eindruck hätten, dass der Staat sie nicht mehr schützen könne.

Es gebe auch viele Menschen, die auf die Krisen nicht rational, sondern mit Angst auf die Herausforderungen der heutigen Zeit reagierten. Diese Menschen seien ein gefundenes Fressen für Populisten und Verschwörungstheoretiker „und die wiederum befeuern die Atmosphäre der Verunsicherung“. Das seien Gründe, warum immer mehr Menschen ins Rechtsextreme abgleiten.

Rechtsextreme sind nichts Neues

Natürlich ist es nicht neu, dass es Menschen mit rechter Gesinnung gibt. „Der Anteil von Menschen mit rechtsextremem Gedankengut, der ist schon immer da“, sagt Marc Debus, Politikforscher an der Uni Mannheim. Dieser Anteil habe schon immer zwischen sechs und zehn Prozent gelegen. So gesehen seien die aktuellen Zahlen für ihn nicht überraschend.

Die Wirtschaftskrise 2008/2009, dann die Flüchtlingskrise, die Corona-Pandemie und jetzt der Ukraine-Krieg – das alles seien Ereignisse, die die Menschen stark verunsicherten, sagt Debus. Und das verursache den Ruf nach einfachen Lösungen – die aber so einfach nicht seien.

Das sind Leute, die kaum oder gar kein Vertrauen in die politischen Institutionen haben, keine Lösungskompetenzen sehen und die generell entfremdet und frustriert sind.

Forscher: Eine Politik für alle gibt es nicht

Eine Politik, die allen gefallen würde, sei ein Dilemma, sagt Debus. „Parteien müssen natürlich auf die Interessen der Wählerinnen und Wähler eingehen“, um bei Wahlen erfolgreich zu sein. Es sei aber gefährlich, radikalen Einstellungen hinterherzulaufen. Solchen Parteien entgegenzukommen habe das umgekehrte Ergebnis zur Folge – es stärke die Extremen noch mehr.

In solchen Fällen sei eine gute Kommunikation zwischen Partei und den Menschen der richtige Weg. Allerdings ist das nicht gerade die große Stärke vieler Politiker: „Manches wird nach außen hin nicht als gut durchdacht wahrgenommen.

Bestes Beispiel sei das Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne): „Da ist viel Verwirrung entstanden und viel Unsicherheit.“ Das führe dazu, dass das Vertrauen in die Politik leide und könne sich schnell in Frustration entladen.

Mehrheit der Deutschen findet Demokratie gut

Trotz allem ist eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland laut der Umfrage aber immer noch liberal und lehnt eine Diktatur ab. „Diese Zahlen machen ja Mut“, sagt Martin Schulz. Ob man die sechs Prozent mit rechtsextremem Gedankengut zurückgewinnen könne, wisse er nicht.

So ein Alarmismus, den so eine Umfrage auslöst, der darf sich nicht verfestigen.“ Die anderen 94 Prozent bei der Stange zu halten, das sei die Kunst. Sie müssten ihre Position immer wieder klar vertreten: „Dann sieht man eigentlich flächendeckend, dass die anderen sechs Prozent eigentlich isoliert sind“, beruhigt Schulz.

Mit der Lage der Demokratie in Deutschland hat sich auch Stefan Scheurer im SWR3 Topthema befasst:

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