2020 lernt Intensivpfleger Ricardo Lange Ralf im Internet kennen – auf Facebook, um genau zu sein. Ralf erzählt in einem Beitrag von seiner fast 15-jährigen Krankheitsgeschichte und seiner Schwachstelle, seinem Herzen.
Ricardo und er kommen ins Gespräch. Ricardo weiß, dass Herzkrankheiten sehr viele Menschen in Deutschland betreffen – von 100 Verstorbenen in Deutschland litt 2021 laut Statistischem Bundesamt jeder Dritte (33%) an einer Herzerkrankung. Ralf ist einer von ihnen.
Ralf erzählt Ricardo seine Geschichte – und zwar von Anfang an. Und die klingt unglaublich. Aber lest selbst..
❗ Triggerwarnung: In diesem Artikel geht es um chirurgische Eingriffe, medizinische Verfahren und Beschreibungen von Herzkrankheiten. Wenn dich diese Themen triggern, dann überspringe diesen Text oder lies ihn mit einer Person, der du vertraust.
- Der Anfang: eine verschleppte Lungenentzündung
- Eineinhalb Herzen: der Defibrillator
- Zweieinhalb Herzen: das Kunstherz
- Dreieinhalb Herzen: das Spenderherz
- Das Leben nach den Herzen
Storytelling-Podcast True Care – intensive Fälle mit Ricardo Lange
Im Storytelling-Podcast „True Care” erzählt Host, Reporter und Intensivpfleger Ricardo Lange Krankheits- und Gesundheitsgeschichten von Betroffenen, die oftmals unsichtbar bleiben. Es sind Heldengeschichten, persönliche Schicksale, Geschichten des Zweifelns und lehrreiche Erzählungen über die Höhen und Tiefen des Lebens.
📢 Deine Meinung ist gefragt! Wir freuen uns, wenn du den Podcast hörst und hier Feedback gibst!
Eine verschleppte Lungenentzündung
2006 steht der damals 45-jährige Ralf in der Altstadt von Lüttich in Belgien, als er merkt, dass irgendwas mit ihm nicht stimmt. Also so richtig nicht stimmt. Er fasst sich an die Brust, seine Beine werden schwach, das Atmen fällt ihm schwer.
In den Wochen zuvor hatte Ralf eine Lungenentzündung. Seine Ärztin riet ihm, zuhause zu bleiben und sich auszukurieren. Ralf ignorierte diese Empfehlung. Er musste in der folgenden Woche beruflich verreisen – ihr ahnt es, nach Belgien. Dort, wo er plötzlich Schmerzen bekam.
Dieser Tag in Lüttich sollte sein Leben verändern. Fast 15 Jahre seines Lebens drehen sich von da an nur noch um eines: sein Herz.
Ralfs Ärztin schickt ihn ins Krankenhaus. Ihre Vermutung: Herzinfarkt. Nach drei Wochen Behandlung stellen seine Ärzte schließlich fest: Der vermeintliche Herzinfarkt ist eigentlich eine Herzmuskelentzündung.
Anschließend wird er fast drei Monate im Krankenhaus behandelt. Seine Herzleistung zu diesem Zeitpunkt beträgt lediglich 13%. Sein Herz brauchte also dringend Unterstützung – und die bekommt es. Ein zusätzliches „halbes Herz“ sozusagen, in Form von einem technischen Gerät, einem Defibrillator.
Huntington-Krankheit Trotz tödlicher Diagnose positiv bleiben? Alina erzählt ihre Geschichte ❤
Ein inspirierender Winterspaziergang mit Alina aus Wiesbaden: Sie weiß, dass in wenigen Jahren bei ihr eine unheilbare Krankheit ausbrechen wird. Aber sie hat neuen Mut gefunden!
❤ Eineinhalb Herzen: der Defibrillator
Ralf lebt mit diesen Schlägen – fast sieben Jahre lang. Sieben Jahre, die sich für Ralf anfühlen wie im Gefängnis: Ein Alltag ohne Abwechslung. Der unternehmungslustige Ralf, der ein paar Jahre zuvor gerne geschäftlich und privat verreiste, den gab es nun nicht mehr. Aber, er lebt – mit Einschränkungen.
Als sich sein Gesundheitszustand verschlechtert, erzählen ihm seine Ärzte von einem neuen Verfahren, mit dem in den USA schon gute Ergebnisse erzielt werden konnten: dem Cardioband.
Der Grund: Die Schrauben wurden besonders gut befestigt, zu gut. Sie brechen nach kurzer Zeit ab. Solche Komplikationen können leider auftreten. Für Ralf heißt das: Er kommt wieder unters Messer – diesmal ist es eine OP am offenen Herzen.
Zu viel Anstrengung für Ralfs Körper. Damit er die Strapazen überstehen kann, wird er in ein künstliches Koma gelegt.
So schützen Eltern sich und ihre Kinder in der Erkältungszeit
Fast zwei Jahre verbringt Ralf durchgehend im Krankenhaus. Er wird zum Pflegefall:
Die Ärzte sehen für Ralf wenig Hoffnung. Im Ernstfall wird er nicht mehr reanimiert oder intubiert. Ralfs Schwester wird zu seinem Vormund und sie trifft eine lebensrettende Entscheidung für ihn: Sie hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben und sorgt dafür, dass Ralf in ein Herzzentrum verlegt wird. Es ist das Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeyenhausen in NRW.
Die Ärzte dort sind optimistisch. Ralf bekommt ein Gespräch zwischen einem der Ärzte und seiner Schwester mit:
Ralf wird mit Medikamenten behandelt – scheinbar mit Erfolg. Aber eben nur scheinbar. Denn kurze Zeit später verschlechtert sich Ralfs Zustand erneut.
❤❤ Zweieinhalb Herzen: das Kunstherz
Und irgendwann kam dann doch wieder ein Arzt rein, als es mir wieder schlechter ging und sagte: ‚Hör zu, wenn wir dir diese Nacht kein Kunstherz einbauen, dann bist du morgen Früh tot.‘
Ein was? Ein Kunstherz? Das müssen wir erklären. Es gibt zwei verschiedene Geräte, die man bei Patienten mit einer Herzschwäche einsetzt, wo man mit Medikamenten nicht mehr klarkommt: Das sind einmal so genannte Herzunterstützungssysteme, wo nur das Blut aus der linken Herzkammer in die Hauptschlagader gepumpt wird.
Und dann gibt es noch „echte Kunstherzen“. Das bedeutet, dass das komplette Herz entfernt wird und dann sowohl durch eine linke und rechte Herzkammer ersetzt wird. Dieser Eingriffe wird in Deutschland allerdings nur sehr selten durchgeführt.
Ralf bekommt ein Herzunterstützungssystem. Übrigens: So ein Gerät hat einen interessanten Nebeneffekt: Man hat damit keinen Herzschlag mehr. Die Lebensqualität ist mittlerweile aber sehr hoch. Eigentlich hätte Ralfs Odyssee also hier enden können.
Doch die Euphorie hält nicht an. Denn schon wenige Monate nach der Operation entzündet sich der Eingang des Herzunterstützungssystems – und Ralf muss wieder zurück ins Herz- und Diabeteszentrum. Dort erfährt er: Er braucht ein Spenderherz.
❤❤❤ Dreieinhalb Herzen: das Spenderherz
Ralf kommt auf eine Hochdringlichkeitsliste – eine Prioritätsliste für Patienten, die dringend Spenderorgane benötigen.
Auf einmal geht alles sehr schnell: Nach nur vier Wochen bekommt er die Nachricht, dass es ein passendes Spenderherz für ihn gibt. Ralf erinnert sich an die Stunden vor der alles entscheidenden Operation zurück:
Im Anschluss wird er operiert. Obwohl die Spenderorgane im Vorhinein geprüft werden, muss eine Transplantation nicht zwangläufig erfolgreich sein. Aber Ralf hat Glück: Als er aufwacht spürt er etwas, das er schon lange nicht mehr gespürt hat: einen Herzschlag.
50 Jahre Organspendeausweis Die wichtigsten Fakten zur Organspende
Seit einem halben Jahrhundert werden Organspendeausweise ausgestellt und trotzdem sind sich viele nicht sicher, was nach dem Tod eigentlich genau passiert. Die wichtigsten Fakten haben wir hier zusammengestellt.
Nach der Transplantation geht es Ralf so gut, dass er nach nur vier Wochen und ohne Reha entlassen wird. Das ist nicht selbstverständlich, ein absoluter Glücksfall.
Neues Register Online für die Organspende eintragen? So funktioniert es!
Ist das der Organspende-Booster für Deutschland?! Seit Neuestem kann man sich auch online dafür registrieren! Wir haben uns für euch das neue digitale Organspende-Register angeschaut.
Das Leben nach den Herzen
Alles was danach kommt, klingt fast schon wie ein Märchen. Sein Leben sei nun besser als je zuvor, erzählt Ralf Ricardo, als dieser ihn zuhause auf seinem Hof besucht.
Sie sprechen lange über seine Geschichte und über das Thema Organspende. Ricardo erzählt, dass ihm eine Frage dabei nicht mehr aus dem Kopf will: Hätte diese Krankheitsgeschichte verhindert werden können?
Ralf ist dem Tod mehrmals von der Schippe gesprungen. Seine Geschichte hat Ricardo beeindruckt:
Weitere Krankheits- und Gesundheitsgeschichten, persönliche Schicksale und inspirierende Heldengeschichten hört ihr im neuen SWR3-Podcast „True Care – Intensive Fälle mit Ricardo Lange“.