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Von Autor/in Jessica Brandt

„Haben Sie über Organspende nachgedacht?“ Dieser Frage mussten sich Katharina und Carsten stellen, als ihre einjährige Tochter Frida für hirntot erklärt wird.

Auf den Kinderstühlen im Esszimmer stehen zwei Namen: Theo und Frida. Im Flur stehen vier Figuren im Regal: Theo (6), Frida (1), Katharina (37) und Carsten (37) – alle mit ihrem Lieblingsgegenstand wie Carsten mit einem Fußball. Doch Frida hat Flügel an, denn sie ist nicht mehr da. Frida ist seit über einem Jahr tot. Das Mädchen ist im Februar 2024 an einer Infektion gestorben – plötzlich, ohne Vorankündigung, innerhalb von wenigen Tagen. 

Warum Katharina und Carsten ihre Geschichte erzählen, hat vor allem einen Grund:

Natürlich haben wir uns auch überlegt, ob wir das Interview machen oder nicht. Wenn es am Ende nur eine Person dazu bringt, Organe zu spenden und dadurch Leben zu retten, hat das was gebracht.

Katharina und Carsten erzählen die Geschichte ihrer Tochter Frida, die 2024 mit einem Jahr zur Organspenderin wurde
Im Eingangsbereich der Familie stehen die vier Legofiguren mit den Namen darauf. Fridas Figur hat mittlerweile Flügel bekommen.

Die Geschichte von Frida gibts für euch auch im Video:

Social-Media-Beitrag auf Instagram von swr3online

Frida wird Organspenderin

Frida wird im Februar 2022 als zweites Kind von Katharina und Carsten geboren. Sie ist ein fröhliches, empathisches und beliebtes Kind. Sie geht gerne in den Kindergarten.

Wie so eine kleine Queen ist sie da rein. Jeder kannte sie. Sehr fröhlich und immer offen jedem gegenüber. 

An einem Donnerstag, einige Tage vor ihrem zweiten Geburtstag, habe Frida Grippesymptome gezeigt, erzählt Katharina. Sie habe noch am Mittagstisch gesessen und ihre zwei Pizzastücke gegessen. Doch dann sei alles von jetzt auf gleich anders geworden.

Frida wirkt apathisch und ist nicht mehr sie selbst. Katharina fährt mit ihrer Tochter zum Arzt, doch mehr als eine Auffälligkeit der Lunge kann nicht festgestellt werden. Der Zustand verschlechtert sich weiterhin, sie fahren ins Krankenhaus.

Ich habe auch den Großen mitgenommen, weil ich gedacht habe, bevor ich jetzt alle Leute wuschig mache und ihn irgendwo noch unterbringe. Aber ja, war dann nicht so.  

Ärzte sind hilflos

In Limburg können die Ärzte Frida nicht weiterhelfen, sodass sie direkt ins Frankfurter Krankenhaus geflogen wird. Frida wird untersucht, es werden unterschiedliche Möglichkeiten getestet, um ihr zu helfen, doch die Ärzte sind ratlos. „Sie wurde auf Verdacht dann auf alles Mögliche behandelt, hat alle möglichen Antibiotika bekommen“, erzählt Katharina mit brüchiger Stimme. Die Ärzte hätten auch gesagt, dass sie selbst in Studien nachlesen müssten, um weitere Ideen für eine mögliche Behandlung zu finden.

Frida muss aufgrund des hohen Drucks im Gehirn auf eine Operation vorbereitet werden. Eine Drainage im Hirn soll für eine Minderung des Drucks sorgen. In diesem Moment ahnen die Eltern, dass das weitere Gespräch mit den Ärzten ein schweres werden wird.

Der Druck war so hoch, dass klar war, dass das Hirn so geschädigt ist, dass man da nichts mehr machen kann.  

Katharina und Carsten erzählen die Geschichte ihrer Tochter Frida, die 2024 mit einem Jahr zur Organspenderin wurde
Eine Kerze im Flur der Familie erinnert an Frida als Lebensretterin.

Zu diesem Zeitpunkt ist Frida vermutlich schon hirntot. Das wird auch Katharina und Carsten klar. Fridas Werte seien ausgeschlagen, sobald sie umgelagert wird, sie habe die Temperatur nicht mehr halten können. Das alles habe darauf hingewiesen, dass eine große Schädigung vorliegt, so Carsten im Interview.

Ob sie schon einmal über Organspende gesprochen oder nachgedacht hätten, fragen die Ärzte. Das haben Katharina und Carsten nicht. Doch ein Blick reicht:

Wir haben uns kurz angeschaut und dann war für uns klar, dass wir Fridas Organe spenden wollen.

Katharina und Carsten haben Zeit zum Abschied

Bei Kindern muss, anders als bei Erwachsenen (einmalige Feststellung), der Hirntod zweimal von zwei unterschiedlichen Ärzten festgestellt werden. Innerhalb von 48 Stunden müssen die Feststellungen erfolgen und müssen jeweils 24 Stunden auseinanderliegen. Somit haben Katharina und Carsten noch einmal Zeit. Zeit mit ihrem Sohn Theo darüber zu sprechen, Zeit, die Familie zu informieren und Zeit bei Frida im Krankenhaus zu sein. „Ihr Lieblings-Tonie lief rauf und runter“, erzählt Carsten im Interview. So hatte die Familie und vor allem die Eltern Zeit, sich von Frida zu verabschieden.

Die Klinik in Frankfurt erleichtert den beiden den Abschied so gut es geht, indem sie das Zimmer gestalten können, wie sie es wollen. Tagsüber kann die Familie zu Besuch kommen und nachts sind Katharina und Carsten allein bei Frida. Lieblingsbücher werden vorgelesen und „der große Bruder war da, hat mit ihr Bilderbücher angeguckt. Theo hat das ganz toll gemacht“, berichtet Katharina mit tränengefüllten Augen. Allerdings liegt Frida zu diesem Zeitpunkt bereits im Koma und reagiert nicht auf das, was Theo ihr zeigt. So warten die beiden auf die OP, bei der Fridas Organe entnommen werden, die zur Spende benötigt werden.

Vor der OP haben wir gesagt bekommen, wir sollen ein bisschen Abstand nehmen, weil das Ganze auch für das OP-Team nicht einfach ist. 

Katharina und Carsten erzählen die Geschichte ihrer Tochter Frida, die 2024 mit einem Jahr zur Organspenderin wurde
Katharinas Schwester hat die Idee, von Frida noch Finger- und Fußabdrücke zu machen. Den Fingerabdruck in Originalgröße trägt Katharina nun um ihren Hals.

Durch Organspende wird Frida zur Lebensretterin

Vier Organe von Frida werden gespendet und helfen nun anderen Kindern: Zwei Nieren gehen an Jungen, die zuvor Dialyse-Patienten waren. Fridas Herz und Leber gehen jeweils an zwei Kleinkinder, die als „high urgent“ gelistet waren – also die in unmittelbarer Lebensgefahr schwebten. Fridas Organe retten sie vor dem Tod. 

Ich finde, ihre Nieren, ihr Herz und ihre Leber, die sie gespendet hat, haben sie jetzt nicht als Mensch ausgemacht. Wir haben die Erinnerung an sie. Wie sie war, wie sie ist. Und das war für uns wichtig. Und warum sollte man dann nicht dieses kleine bisschen Positive, was man da rausziehen konnte, dass andere Kinder weiterleben dürfen, nicht mitnehmen?

Fridas Organspende sorgt für Hoffnung

Wie geht man mit so einem tiefschneidenden Ereignis um? Für Katharina und Carsten gibt es auf diese Frage nur eine Antwort:

Also es gab für uns einfach nur zwei Optionen: Entweder weitermachen, das Leben 2.0 beginnen oder hinten runterfallen. Aber das war für uns keine Option.

Sowohl das soziale Umfeld als auch viele Gespräche innerhalb der Familie, der Austausch mit anderen Betroffenen, eine Trauerbegleitung und viel Mut haben die Familie durch diese schwere Zeit begleitet. Es ist für sie bis heute ein wichtiges Fundament, auf das sie bauen können.

Für den Sohn Theo sei es wichtig, dass der Alltag wieder einkehren durfte. Ob nun beim Training oder im Kindergarten oder mit seinen Freunden: Dass er diese Routine wieder hatte, sei eine gute Entscheidung gewesen, glaubt Carsten.

Für die Beziehung der beiden war die gesamte Phase eine große Herausforderung, an der sie noch stärker gewachsen und vor allem zusammengewachsen sind. „Ich glaube, es ist nicht selbstverständlich, dass in so einer Situation die Beziehung nicht darunter leidet“, sagt Katharina mit dem Blick auf Carsten gerichtet.

Katharina und Carsten erzählen die Geschichte ihrer Tochter Frida, die 2024 mit einem Jahr zur Organspenderin wurde
Katharina und Carsten erinnern sich auch gemeinsam an Frida.

Doch wie sie gemeinsam auf dem Sofa sitzen, sich anblicken und sich gegenseitig durch Berührungen Kraft geben, ist tief beeindruckend: Die beiden haben ihre Beziehung durch die Erfahrung und das gemeinsame Aufarbeiten und Bewältigen gestärkt. Trauer zulassen zu dürfen, sei ein wichtiger Bestandteil. Ebenfalls das Akzeptieren, dass jeder anders trauert, sei wichtig. Das sei bis heute nicht immer leicht, aber sie arbeiten gemeinsam daran. Dazu gehört auch, dass Frida einen festen Platz in ihrem Leben hat.

Frida bleibt präsent

Frida ist Teil des Alltags, auch wenn sie nicht mehr da ist: Es gibt Zeiten, so erzählt Katharina, da denkt sie intensiv an ihre kleine Tochter. Und in völlig unerwarteten Momenten, in denen die Gedanken der Eltern bei Alltäglichem sind, kommt Theo, der große Bruder von Frida, und spricht über sie. Als Carsten sich beispielsweise am Esstisch über den Regen beschwert, sagt Theo, das sei doch nur Frida, die auf den Wolken tanzt.

Es ist für uns auch ganz schön, dass sie immer wieder dann eingebunden wird. In Situationen, wo man auch gar nicht damit rechnet. Klar, am Anfang war das so, man muss mit seiner eigenen Trauer und mit dem Ganzen umgehen können. Aber es ist immer schön.

Katharina und Carsten erzählen die Geschichte ihrer Tochter Frida, die 2024 mit einem Jahr zur Organspenderin wurde
Am Esszimmertisch steht Fridas Stuhl, sodass sie bei jeder Mahlzeit ein Teil der Familie sein kann.

Auch die Organspende ihrer Tochter gibt der Familie immer wieder Kraft. Es habe eine gewisse Sinnhaftigkeit darin zu finden und nicht sinnlos, was Frida zugestoßen ist.

Durch die Organspende hatte man so eine Art Trost. Also man wusste, ein Stück von ihr lebt vielleicht woanders einfach noch weiter.

Nachrichten von Organempfängern sorgen für Hoffnung

In Deutschland werden zwar Organspender und -empfänger nicht miteinander bekannt gemacht, aber die Deutsche Stiftung für Organtransplantation (DSO) informiert Katharina und Carsten in anonymisierten Briefen darüber, wie es den Organempfängern geht. „Bis jetzt haben wir nur positive Nachrichten gehört“, erzählt uns Katharina. Zu wissen, es geht den Kindern, die Fridas Organe nun weitertragen, gut, sei ein Hoffnungsschimmer.

Die DSO veranstaltet immer wieder Treffen für Angehörige, sodass hier auch Katharina und Carsten eine weitere Anlaufstelle für den Austausch der Trauer und der Verarbeitung der Situation finden:

Die verstorbene Person steht absolut auch im Mittelpunkt. Erst mal wird darüber gesprochen, wer überhaupt die Person war.

Das Leben geht weiter

Wie geht es weiter mit einer Familie, die solch ein Schicksal erlebt hat? Ja, da ist die Schwere, die Trauer, die Gedanken an Frida. Und im Gespräch fließen bei beiden die Tränen – mehrfach. Aber Katharina und Carsten strahlen so viel mehr aus: Da ist unglaublich viel Positivität, Mut, Zuversicht und Wille, dass es gut werden wird. Dass es weitergeht und weitergehen muss. Als Paar, als Familie.

Am sichtbarsten ist das vielleicht an Katharinas rundem Bauch. Sie ist in der 22. Woche mit dem dritten Kind schwanger. Carsten sagt, dass Frida immer ihren festen Platz haben wird und Katharina ergänzt: „Sie ist immer unser zweites Kind.“ Ein Sonnenstrahl der späten Nachmittagssonne huscht den beiden übers Gesicht. Vielleicht tanzt Frida gerade wieder auf den Wolken.

Unsere Worte an Fridas Familie

Die Geschichte von Frida hat euch sowohl im Radio als auch bei Instagram und Facebook bewegt und auch bei uns in der Redaktion hat sie Spuren hinterlassen:

Hier nur einige der vielen schönen Reaktionen, die aus der Community kamen:

Social-Media-Beitrag auf Instagram von swr3online

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Eure Gedanken zu Fridas Geschichte

Habt ihr selbst bereits Erfahrungen mit dem Thema Organspende gemacht oder wollt euch hier austauschen? Dann kommentiert gerne.

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