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Ferdinand Vögele
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Leo Eder
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Cornelia Stenull
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Katrin Stöver

Nach der erzwungenen Landung einer Ryanair-Maschine haben die EU und die USA Sanktionen gegen Belarus verhängt. Russland dagegen sagt dem Land einen Kredit über 500 Millionen Dollar zu.

Erst eine Ryanair-Maschine nach einer angeblichen Bombendrohung zur Landung genötigt, dann einen oppositionellen Blogger und dessen Lebensgefährtin verhaftet – nach den Vorfällen in Minsk steht Belarus international weitgehend isoliert da. Die EU und die USA haben Sanktionen verhängt. Russland will dem Land nun aber finanziell aus der Klemme helfen. Im nächsten Monat solle Belarus eine zweite Tranche von 500 Millionen Dollar eines Kredits über insgesamt 1,5 Milliarden Dollar erhalten, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Samstag der Agentur Tass. Der Kredit sei schon vor den international heftig kritisierten Vorfällen in Minsk beschlossen worden.

Putin und Lukaschenko haben sich in Sotschi getroffen

Der Kredit ist eines der Ergebnisse des Treffens von Russlands Präsidenten Wladimir Putin mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Die beiden kamen in Sotschi zusammen. Putin ist ein enger Verbündeter von Lukaschenko. Er hatte dem seit 1994 mit harter Hand regierenden Belarussen bereits am Freitag seine Unterstützung zugesagt.

Putin stärkt Lukaschenko den Rücken | DW Nachrichten

Kreml will Flugzeugvorfall „genau untersuchen“

Man müsse die Situation genau untersuchen und dürfe keine voreiligen Schlüsse ziehen, sagte Kreml-Sprecher Peskow am Samstag mit Blick auf den Flugzeug-Zwischenfall. Offenbar gehe es in den europäischen Hauptstädten aber nicht um eine Klärung der Umstände, sondern es würden Entscheidungen basierend auf Emotionen gefällt, sagte Peskow weiter.

Proteste gegen Lukaschenko in Warschau und Vilnius

Nach der Festnahme des belarussischen Regierungskritikers Roman Protasewitsch haben in der polnischen Hauptstadt Warschau hunderte Menschen gegen das Lukaschenko-Regime demonstriert. Die Eltern von Protasewitsch riefen bei der Demo die EU und die USA zur Hilfe auf. „Wir wollen in einem freien Land leben, in einem Land, in dem jeder das Recht hat, seine Überzeugungen auszudrücken“, sagte Protasewitschs Vater Dmitri.

Auch in Vilnius gabe es am Samstag Proteste gegen den belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko. Angeführt wurden diese von der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die im Exil in Litauen lebt.
Auch in Vilnius gabe es am Samstag Proteste gegen den belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko. Angeführt wurden diese von der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die im Exil in Litauen lebt.

Auch in der litauischen Hauptstadt Vilnius gingen zahlreiche Menschen auf die Straße. Angeführt wurde die Kundgebung von der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die im vergangenen Jahr nach Litauen ins Exil geflüchtet war. Die Demonstranten marschierten zur belarussischen Botschaft.

USA verhängen Sanktionen gegen Belarus

Die US-Regierung wird in der kommende Woche wieder Sanktionen gegen neun staatliche belarussische Firmen in Kraft setzen. In Absprache mit der EU und weiteren Partnern werden außerdem gezielte Sanktionen gegen „Schlüsselfiguren des Regimes“ von Präsident Lukaschenko vorbereitet, hieß es.

Statement by Press Secretary Jen Psaki on the United States Response to Belarus’s Forced Diversion of Ryanair Flight and Continuing Attack on Fundamental Freedoms | The White House https://t.co/wIaGJCMdEv

Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, bezeichnete die Vorfälle in Minsk als „direkten Angriff auf internationale Standards“. Die USA folgen damit dem Kurs, den bereits die EU eingeschlagen hat. Diese hatte schon zu Beginn der Woche Sanktionen verhängt.

EU sperrt Luftraum für Fluggesellschaften aus Belarus

Die EU hat als Reaktion auf die Vorfälle in Minsk den Luftraum für belarussische Fluggesellschaften gesperrt. Außerdem soll die Liste mit Personen erweitert werden, gegen die Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote gelten. Diese Entscheidungen wurden am Montagabend am Rande eines EU-Sondergipfels in Brüssel bekanntgegeben.

Das Verhältnis der EU zu Belarus wurde nach dem Zwischenfall kurzfristig auf die Tagesordnung des Gipfels gesetzt, der sich eigentlich unter anderem mit den zerrütteten Beziehungen zu Russland befassen sollte.

#EUCO leaders acted forcefully in response to the outrageous actions of the Belarus regime. We are closing our airspace to planes from Belarus & call on EU airlines not to fly over the country. Further economic sanctions will be presented soon. https://t.co/1FmbkdY1tw

Conclusions on #Belarus adopted at #EUCO chaired by @eucopresident https://t.co/MWco6QEiTy

Fluglinien sollen belarussischen Luftraum meiden

Europäische Fluglinien werden dazu aufgerufen, den belarussischen Luftraum zu meiden. Auch die Lufthansa erklärte am Montagabend, sie werde nicht mehr durch den belarussischen Luftraum fliegen. Großbritannien hat zudem die Betriebserlaubnis für die staatliche belarussische Fluggesellschaft Belavia ausgesetzt.

Boarding von Lufthansa-Maschine unterbrochen wegen „Warnhinweis“

Nur einen Tag nach der Zwangslandung der Ryanair-Maschine in Minsk ist in der belarussischen Hauptstadt das Boarding einer Lufthansa-Maschine gestoppt worden. Es soll einen Warnhinweis gegeben haben. Das Flugzeug wurde durchsucht.

Die Airline hat die Vorgänge bestätigt. Die Maschine sollte nach Frankfurt fliegen. Alle Passagiere mussten einem erneuten Sicherheitscheck unterzogen werden. Das Flugzeug wurde durchsucht, auch die gesamte Fracht und alle Koffer wurden ausgeladen. Betroffen waren 51 Passagiere inklusive fünf Crewmitgliedern. Die Drohung sei per E-Mail eingegangen, teilte der Airport mit. Angeblich sei eine „terroristische Tat“ angedroht worden.

Die Maschine konnte der Lufthansa zufolge mit zwei Stunden Verspätung dann aber starten. Alle Passagiere und Crewmitglieder seien nach dem Check wieder an Bord gewesen, berichtet die Nachrichtenagentur AFP.

Nur ein Tag zuvor erzwungene Landung von Ryanair-Maschine wegen angeblicher Bombendrohung

Belarus hatte am Sonntag vor einer Woche die Zwischenlandung eines Ryanair-Fliegers in Minsk erzwungen. Der oppositionelle Blogger Roman Protasewitsch und seine Freundin, Sofia Sapega, wurden dort festgenommen. Das hat in der EU heftige Kritik hervorgerufen. Was war passiert?

Global outrage as Belarus forces a passenger plane carrying a wanted opposition activist to divert and land in its capital https://t.co/Ji1aHOHeM0 📹 Passengers aboard the Ryanair flight carrying dissident journalist Roman Protasevich describe what happened during the flight https://t.co/h4512Wx1tP

Die Ryanair-Maschine war am Sonntag vor einer Woche in Athen gestartet. Der Flug, der in die litauische Hauptstadt Vilnius gehen sollte, nahm eine ungeahnte Wendung, als die Maschine von belarussischen Behörden wegen einer angeblichen Bombendrohung gewarnt wurde.

Militärjet fängt Passagiermaschine ab

Ein Militärjet stieg daraufhin auf, um die Passagiermaschine abzufangen und zum Flughafen Minsk zu eskortieren. Die Entscheidung zur Landung in Belarus' Hauptstadt habe aber die Besatzung getroffen, erklärte der Vize-Kommandeur der Luftwaffe. Ryanair stellte später klar, dass die belarussische Flugsicherung die Maschine angewiesen habe, den Kurs zu ändern und Minsk anzusteuern. Auch Litauens Präsident Gitanas Nausėda sprach von einer Zwangslandung.

Our FR4978 flight has landed safely in Vilnius at 19:25hrs UK time (21:25hrs local time). Here is Ryanair’s statement on today’s diversion to Minsk Airport 👇 https://t.co/i0xhdpwTAF

Oppositioneller Blogger Protasewitsch festgenommen

Nach der Landung in Minsk wurde der regimekritische Blogger Roman Protasewitsch festgenommen. Der im polnischen Exil lebende Journalist war von Machthaber Alexander Lukaschenko international gesucht worden.

Der 26-jährige Protasewitsch ist ein ehemaliger Redakteur des oppositionellen Telegram-Kanals Nexta. Darüber waren nach der von massiven Betrugsvorwürfen begleiteten Präsidentschaftswahl in Belarus im vergangenen August hunderttausende Demonstranten mobilisiert worden.

Der oppositionelle Blogger und Aktivist Roman Protasewitsch bei einer Gerichtsanhörung in Minsk (Archiv).
Der oppositionelle Blogger und Aktivist Roman Protasewitsch bei einer Gerichtsanhörung in Minsk (Archiv).

Keine Bombe gefunden

Mit Blick auf eine angebliche Bombendrohung teilten belarussische Regierungsvertreter später mit, es sei kein Sprengstoff gefunden worden. Aus Webseiten für die Nachverfolgung von Flugrouten ging hervor, dass das Flugzeug rund 30 Kilometer von der litauischen Grenze entfernt war, als es den Kurs änderte.

A Ryanair flight #FR4978 from Athens to Vilnius, diverted to Minsk in Belarus earlier today. https://t.co/rnUpiqOjch According to reports in media a Belarus journalist, that was onboard the flight, was arrested after the diversion to Minsk. https://t.co/MQyvXsDExM

International hatte es scharfe Kritik am Vorgehen von Belarus gegeben. Das belarussische Außenministerium wies die Vorwürfe zurück. Sie seien haltlos. Die Behörden hätten im Einklang mit internationalen Vorschriften gehandelt. Es habe eine der Hamas zugeschriebene Bombendrohung gegeben. Der Hamas-Sprecher Fawzi Barhoum sagte indes, die Gruppierung habe damit „nichts zu tun“.

Auch das russische Außenministerium warf der EU vor, mit zweierlei Maß zu messen.

Waren Geheimdienstmitarbeiter an Bord?

Der Chef der litauischen Kriminalpolizei, Rolandas Kiskis, sagte am Montag, beim Start in Athen hätten sich 126 Passagiere an Bord befunden. Am planmäßigen Ziel in der litauischen Hauptstadt Vilnius seien mit dieser Maschine am Sonntagabend schließlich jedoch nur 121 Passagiere angekommen.

Ryanair-Chef Michael O'Leary und der irische Außenminister Simon Coveney hatten die Vermutung geäußert, dass es sich bei den übrigen fehlenden Passagieren um belarussische Geheimdienstmitarbeiter gehandelt habe. Demnach hätte Belarus Agenten bereits beim Abflug auf griechischem Boden eingesetzt. Auf Twitter spricht das Unternehmen von Luft-Piraterie. Litauens Kriminalpolizei-Chef Kiskis wollte sich zur Identität der fehlenden Passagiere nicht äußern.

Our updated statement regarding yesterday's (23 May) diversion of FR4978. https://t.co/BANHrDvXMq

Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte am Montag laut der Agentur Interfax, dass auch eine russische Frau in Polizeigewahrsam sei. Er sprach von einer „Bekannten“ von Protasewitsch. Mehrere Medien schrieben, dass es sich um die Freundin des Bloggers handeln soll.

Staatsfernsehen strahlt Video von Protasewitsch aus

Das belarussische Staatsfernsehen zeigte am Montag ein Video, in dem der Blogger Roman Protasewitsch die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zugibt: „Ich werde weiter mit den Ermittlern zusammenarbeiten und gestehe, Massenproteste in der Stadt Minsk organisiert zu haben.“ Weiter sagte der 26-Jährige, das Personal gehe mit ihm völlig angemessen um und respektiere die Gesetze.

#Belarus Breaking. Pro-government channels published Raman #Pratasevich video address. He was forced to say he is confessing that he was “plotting riots” https://t.co/vhyIs6FmWC

Beobachter halten das Geständnis für erzwungen und machen auf die Male an Protasewitschs Stirn aufmerksam, die auf Schläge hindeuten könnten. Laut einer Sprecherin des belarussischen Innenministeriums befindet er sich in Untersuchungshaft im Haftzentrum Nummer eins im Zentrum von Minsk.

Von der festgenommenen Freundin des Bloggers, einer 23-jährigen Studentin mit russischem Pass, weiß man nichts. Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja geht davon aus, dass sie in das berüchtigte Okrestina-Gefängnis in Minsk gebracht worden ist. Was ihr vorgeworfen werde, sei nicht bekannt. 

Der belarussische Staatschef Lukaschenko unterzeichnete unterdessen ein Gesetz, das Medien die Berichterstattung über Protestaktionen so gut wie unmöglich macht.

Brüssel und EU-Länder bestellen Botschafter ein

Der belarussische EU-Botschafter wurde zum Gespräch in Brüssel einbestellt. Die „empörende Aktion der belarussischen Behörden“ stelle „einen weiteren eklatanten Versuch dar, alle oppositionellen Stimmen im Land zum Schweigen zu bringen“, hieß es in einer Erklärung.

Neben anderen EU-Ländern hat auch Deutschland den belarussischen Botschafter ins Auswärtige Amt einbestellt. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) schrieb auf Twitter, die bisherigen Erklärungen zu den Vorfällen in Minsk von der belarussischen Regierung seien abwegig und nicht glaubwürdig. Man brauche Klarheit darüber, was sich zugetragen habe. Maas forderte auch, die beiden Festgenommenen freizulassen.

Und wir brauchen Klarheit über das Wohlergehen von Roman #Protasewitsch und seiner Lebenspartnerin, die sofort freikommen müssen. Deshalb haben wir den belarussischen Botschafter für heute Abend ins @AuswaertigesAmt einbestellt. (2/3)

Merkel fordert sofortige Freilassung

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die sofortige Freilassung des Regimekritikers und dessen Partnerin in Belarus gefordert. Nach dem EU-Gipfel in Brüssel sagte Merkel, sie sei der Meinung, dass es sich um den Bruch eines internationalen Abkommen handelt. Und das sei inakzeptabel.

Internationale Politiker fordern Konsequenzen gegen Belarus

Die erzwungene Landung in Belarus und die Festnahme von Protasewitsch haben international für Kritik gesorgt. EU-Ratspräsident Charles Michel hatte den Vorfall als drastische Verletzung der internationalen Luftverkehrsregeln bezeichnet.

Hijacking. Air Piracy. Playing Roulette with the lives of innocent civilians. Enough. Pratasevich and Sapega must be released. Today EU27 leaders decided on new sanctions & other forceful measures against the #Belarus authorities. #EUCO https://t.co/zzyk4FxlVH

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die Aktion als „Entführung“ der Maschine durch Belarus angesehen, die sanktioniert werden müsse.

US-Außenminister Antony Blinken sprach von einer schockierenden Handlung der Regierung Lukaschenkos.

We strongly condemn the Lukashenka regime's brazen and shocking act to divert a commercial flight and arrest a journalist. We demand an international investigation and are coordinating with our partners on next steps. The United States stands with the people of Belarus.

Litauen will transatlantische Reaktion gegen Belarus

Am Sonntagabend ist die Ryanair-Maschine schließlich in Vilnius gelandet – mit mehr als acht Stunden Verspätung. Die litauische Staatsanwaltschaft leitete noch am Sonntag eine strafrechtliche Untersuchung der Vorgänge ein. Unter anderem gehe es dabei um die mögliche Entführung eines Flugzeugs zu terroristischen Zwecken und den Verstoß gegen internationale Verträge, teilten die Behörden mit.

What happened today is an attack not only on Lithuania. This is the act of state terrorism directed against the security of citizens of the #EU and other countries. https://t.co/kxfl6VX0iI

Mehrere Passagiere seien bereits unmittelbar nach der Landung um eine Aussage gebeten worden, teilte Litauens Regierungschefin Ingrida Šimonytė mit. Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis erklärte am Sonntagabend, er habe mit dem US Assistant Secretary of State für Europa-Angelegenheiten, Philip Reeker, darüber diskutiert, „dass das beispiellose Ereignis eine starke transatlantische Reaktion finden muss“.

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