Stand

Von Autor/in Christian Kreutzer, Caroline Schneider, Cornelia Stenull

Das Dorf Blatten wurde von den Naturgewalten ausgelöscht. 300 Einwohnerinnen und Einwohner stehen vor dem Nichts. Unsere Kollegin Kathrin Hondl war im Katastrophengebiet und hat mit den Menschen gesprochen.

Viele Menschen in den Nachbargemeinden von Blatten hätten keine Lust gehabt, mit Kathrin zu sprechen. Ihnen sei der Schock und Schmerz über die unfassbare Katastrophe anzusehen. Doch zwei erklärten sich bereit, ihr ihre Geschichte zu erzählen.

Blatten: Ohnmacht und Hoffnung bei den Menschen vor Ort

Lukas Kalbermatten hat alles verloren. Ihm hat ein Hotel mit 15 Mitarbeitern in Blatten gehört. Und nicht nur das: Viele Jahre war er Gemeindepräsident und hat die Begeisterung für seine Heimat bei Dorfführungen mit den Touristen geteilt. Das alles gehört nun der Vergangenheit an. Lukas Kalbermatten konnte den Gletschersturz mit eigenen Augen beobachten:

Das ganze Gestein, es ist nicht gerutscht, es ist fast nach vorne geflogen. Und dann das Tal hinunter. Und deshalb kamen diese riesigen Explosionen. Mein Auto stand drei Kilometer entfernt. Das ist Abbruch, wir können es nicht mehr benutzen.

Der Hotelier, der jetzt bei seinen Schwiegereltern untergekommen ist, sprach mit Kathrin unglaublich gefasst und reflektiert über die brutale Zerstörung seiner Existenz:

Ich denke, wie die meisten Menschen funktioniert man zu Beginn. Es gibt einige, die in Stockstarre fallen, die anderen funktionieren.

Bauer Anton Rieder lebt in einem Nachbarort von Blatten. Ein guter Freund von ihm ist die Person, die immer noch als vermisst gilt und die sehr wahrscheinlich nicht mehr am Leben ist. Der Vermisste ist Schafbauer und war zum Zeitpunkt des Gletscherabbruchs im Stall bei seinen Schafen. Dieser lag außerhalb der Evakuierungszone.

So enorm, das konnte niemand erwarten. Er hatte null Chancen. Es ist so schnell gegangen. Es hat geknallt, ein Luftdruck, der Schlamm. Ich glaube, er hat den Schlamm nicht erlebt. Der Luftdruck allein hat ihn schon getötet. Und jetzt muss ich gleich weinen.

Matthias Bellwald, der jetzige Bürgermeister von Blatten, hat bereits am Abend nach dem vernichtenden Gletschersturz den Wiederaufbau des Dorfs angekündigt – doch das wird eine gigantische Herausforderung.

An Solidarität vor Ort mangele es zum Glück nicht. Der erste Schritt sei nun, erstmal Wohnungen im Lötschental zu finden für die Menschen, die in Blatten alles verloren haben.

Die komplette Reportage vor Ort könnt ihr euch hier anhören⬇️

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Reportage Nach Bergsturz über Blatten – Hoffnung und Ohnmacht

Dauer

Eine Reportage aus dem Katastrophengebiet.

Schweiz: Lage bleibt weiter angespannt

Die Gefahr im Bergsturzgebiet bleibt hoch. Am Kleinen Nesthorn sei erneut eine sehr hohe Aktivität registriert worden. Es seien noch immer mehrere hunderttausend Kubikmeter Fels instabil. Weil von oben weiter Gefahr droht, können die Helferinnen und Helfer nicht ins Tal, um den Ort vom Schutt zu befreien.

Etwas Entspannung gibt es dagegen beim Pegel des aufgestauten Sees der Lonza: Das Wasser fließt langsam durch die Schutt- und Geröllmassen ab. Die Überschwemmung geht zurück, wodurch die befürchtete Flutwelle immer unwahrscheinlicher wird.

Das eigentliche Flussbett der Lonza ist bei dem Gletscherabbruch am vergangenen Mittwoch verschüttet worden:

Blatten am Freitag: Noch steigt der Stausee über dem großteils verschütteten Ort. Doch die Gefahr, dass er gewaltsam überläuft und sich in einer Schlamm- und Gerölllawine über andere Ortschaften ergießt, hat abgenommen. Der Grund:...
Blatten am Freitag: Noch steigt der Stausee über dem großteils verschütteten Ort. Doch die Gefahr, dass er gewaltsam überläuft und sich in einer Schlamm- und Gerölllawine über andere Ortschaften ergießt, hat abgenommen. Der Grund:... Bild in Detailansicht öffnen
Statt einer Flutwelle haben sich unterhalb des Sees verschiedene eher kleine Rinnsale gebildet. Dazwischen staut sich das Wasser immer wieder zu Mini-Seen auf.
Statt einer Flutwelle haben sich unterhalb des Sees verschiedene eher kleine Rinnsale gebildet. Dazwischen staut sich das Wasser immer wieder zu Mini-Seen auf. Bild in Detailansicht öffnen
Fast ein friedlicher Anblick...
Fast ein friedlicher Anblick... Bild in Detailansicht öffnen
Mehrere kleine Seen sind etwa in der Mitte dieser Großaufnahme unterhalb des neuen Stausees in Blatten zu sehen. Sie entstehen beim langsamen Abfließen des Wassers.
Mehrere kleine Seen sind etwa in der Mitte dieser Großaufnahme unterhalb des neuen Stausees in Blatten zu sehen. Sie entstehen beim langsamen Abfließen des Wassers. Bild in Detailansicht öffnen
Die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter beobachtet von einem Hubschrauber aus am Freitag die Schäden in Blatten und Umgebung.
Die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter beobachtet von einem Hubschrauber aus am Freitag die Schäden in Blatten und Umgebung. Bild in Detailansicht öffnen

Bilder aus Blatten: See war kurz vorm Überlaufen

Letzten Mittwoch hatte der erwartete Bergsturz das Dorf Blatten in der Schweiz großteils verschüttet. Weil immer mehr Felsbrocken und Geröll 500 Meter weiter unten auf den Birchgletscher gestürzt waren, brach dieser am Nachmittag ab und stürzte samt Geröll und Steinen ins Tal.

Was von Blatten noch übrig war, wurde dann nach und nach von dem neuen See bedeckt. Er entstand, weil der Fluss Lonza weiterhin nach Blatten hineinfließt, sein Bett aber ebenfalls verschüttet ist. Dadurch staute sich das Wasser.

Der „Damm“ dieses Sees sind immer noch die drei Millionen Kubikmeter Geröll, die der Bergsturz vom rund 3.800 Meter hohen Kleinen Nesthorn ins Tal befördert hat. Experten befürchteten, der See könne sich seinen Weg mit Gewalt bahnen und eine Mure auslösen – eine Lawine aus Schlamm und Geröll. Die hätte sich dann über die tiefer liegenden Talgemeinden wälzen können. Hier Bilder vom Donnerstag:

Donnerstag: Dieses Bild zeigt deutlich, wie kurz der See vor dem Überlaufen ist.
Donnerstag: Dieses Bild zeigt deutlich, wie kurz der See vor dem Überlaufen ist. Bild in Detailansicht öffnen
Blick „von unten“ aus der neuen Gefahrenzone: Hier sieht man das Katastrophengebiet von einem Ort hinter dem Dorf Wiler und schaut in Richtung Blatten. Experten befürchten, bald könnte von dort eine Mure herabschießen – also eine erdrutschartige Lawine aus Schlamm, Wasser und Geröll.
Blick „von unten“ aus der neuen Gefahrenzone: Hier sieht man das Katastrophengebiet von einem Ort hinter dem Dorf Wiler und schaut in Richtung Blatten. Experten befürchten, bald könnte von dort eine Mure herabschießen – also eine erdrutschartige Lawine aus Schlamm, Wasser und Geröll. Bild in Detailansicht öffnen
Blatten nach dem Bergsturz: Das Dorf ist großteils verschüttet. In der rechten oberen Bildmitte sieht man den wachsenden Stausee.
Blatten nach dem Bergsturz: Das Dorf ist großteils verschüttet. In der rechten oberen Bildmitte sieht man den wachsenden Stausee. Bild in Detailansicht öffnen
Das Dorf Blatten im Lötschental vor der Katastrophe.
Das Dorf Blatten im Lötschental vor der Katastrophe. Bild in Detailansicht öffnen
Soldaten der Schweizer Armee treffen am Donnerstag in Wiler talabwärts von Blatten ein. Auch sie können bislang nur bedingt helfen, da weitere Bergabstürze drohen.
Soldaten der Schweizer Armee treffen am Donnerstag in Wiler talabwärts von Blatten ein. Auch sie können bislang nur bedingt helfen, da weitere Bergabstürze drohen. Bild in Detailansicht öffnen

Lötschental: Gletschereis in Geröll und Schutt schmilzt

Auch der Schutt im Tal selbst ist instabil, weil das Gletschereis darin immer weiter schmilzt. Ein anderer Stausee weiter unten im Tal wurde schon entleert, um als Auffangbecken zu dienen. Am Donnerstag waren bereits 16 Menschen aus Wiler und Kippel weggebracht worden, zwei von Blatten aus flussabwärts im Lötschental gelegenen Ortschaften.

Diese zwei Bilder zeigen den schnellen Wasseranstieg zwischen Mittwochnachmittag und Donnerstagmorgen:

BEFORE / AFTER #Blatten Lake 🌊Lake level evolution upstream the Blatten deposit between yesterday evening and this morning!Coloured dots indicate the 2 same buildings 🏠Source of images: Pomona pic.twitter.com/N38hHlQwxT

Mittwochnachmittag: Der Berg stürzt auf Blatten herab

Auf Videos war am Mittwochnachmittag eine riesige Staubwolke über dem Lötschental im Wallis zu sehen. Gigantische Schuttmassen donnerten da vom Gletscher ins Tal und verschütteten das Dorf:

🔴 Effroyables images depuis la Suisse, tournées ce mercredi après-midi… Des millions de mètres cubes de glace et de roche viennent de détruire le village (évacué) de Blatten [CH], dans le Valais…🇨🇭(©PomonaMedia) pic.twitter.com/BCxH7ywv5T

Die Erschütterungen durch den Gletscherabbruch sind laut ETH Zürich in der ganzen Schweiz zu spüren gewesen. Nach Angaben des Erdbebendienstes an der ETH war es eine der größten je aufgezeichneten Massenbewegungen.

Gletschersturz trifft Bergdorf Blatten – keine Verletzten, aber ein Vermisster

Der regionale Führungsstab meldete nach dem Bergsturz keine Verletzten. Weil das Ereignis erwartet wurde, waren die Einwohner von Blatten im Kanton Wallis schon Tage vorher in Sicherheit gebracht worden. Ein Mensch wird jedoch vermisst.

In Blatten lebten etwa 300 Menschen. Die Einwohner mussten vergangene Woche von jetzt auf gleich aus ihrem Dorf raus. Wie Schweizer Medien berichteten, sind sie bei Verwandten, Freunden oder in Hotels untergekommen.

Schweiz: Blatten im Lötschental – erst Felssturz, dann Gletschersturz

Vor rund einer Woche gab es in Blatten bereits einen Felssturz am Kleinen Nesthorn. Der traf auf den Birchgletscher und riss einen Teil davon mit sich. Dadurch entstand ein Murgang – also eine Schlammlawine –, die außerhalb des Dorfes zum Stehen kam. Jetzt kam es zum großen befürchteten Gletscherabbruch.

Staub von einem Felssturz steigt auf, an einer Flanke des Berges Bietschhorn im Lötschental, aufgenommen von der Ortschaft Wiler. Das Dorf Blatten im Lötschental musste wegen der Gefahr eines Felssturzes komplett evakuiert werden.
Bergsturz in der Schweiz: Das Dorf Blatten im Lötschental musste wegen der Gefahr eines Felssturzes komplett evakuiert werden.

Bergsturz und Evakuierung in Blatten und Brienz – das sind die Unterschiede

Erst im November hat es in Brienz in Graubünden ebenfalls einen massiven Bergsturz gegeben – seitdem wohnen dort keine Menschen. Nur stundenweise können sie in ihre Häuser zurück.

Der Unterschied zu dem aktuellen Bergsturz in Blatten: In Brienz war den Menschen schon seit mehreren hunderten Jahren klar, dass es irgendwann zu einem großen Erdrutsch kommen würde.

Im Interview mit dem SRF erklärte ein ehemaliger Professor für Ingenieurgeologie von der ETH Zürich, dass auch die Steilheit der Berghänge einen Unterschied machte. So sei Blatten nicht so flach wie Brienz, was die Geschwindigkeit der Prozesse im Lötschental beeinflusse.

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