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Amelie Heß
Amelie Heß (Foto: SWR)
Franziska Thees
Franziska Thees (Foto: SWR3)

Er spricht fast zehn Minuten und findet klare Worte zum Thema Nahost. Neun Millionen Menschen haben das Video schon gesehen. Was sagt Habeck in dem Video und wie reagiert Kanzler Scholz?

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) stellte das Video am Mittwochabend auf die Plattform X. Er startet mit den Worten, dass ihm die Debatte in den vergangenen Wochen seit dem Angriff der Hamas auf Israel „zu viel, zu schnell vermischt“ scheine. „Ich möchte mit diesem Video einen Beitrag dazu leisten, sie (die Debatte) zu entwirren.

Kanzler Scholz lobt Habecks Rede gegen Antisemitismus

Bei einem Bürgergespräch in Mannheim am Donnerstag hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Videoansprache gelobt. Er verteidigte außerdem die Arbeit der Grünen-Minister Robert Habeck und Annalena Baerbock gegen die scharfe Kritik eines Fragestellers. Beide würden „gute Arbeit leisten und sich sehr viel Mühe geben, dass die Welt zusammenhält“.

Ausdrücklich lobte er danach Habeck für seine Video-Ansprache gegen Antisemitismus. Das sei ein Zeichen, so Scholz zu dem kritischen Bürger, dass dieser mit seiner Einschätzung nicht ganz richtig liege.

Darum geht es in Habecks Video

Zuerst erklärt der Wirtschaftsminister die so oft zitierte Formel, dass die Sicherheit Israels deutsche „Staatsräson“ sei. Dieser Satz dürfe keine „Leerformel“, also eine bloße Redewendung sein. Der Satz sage, dass die Sicherheit Israels für uns als Staat notwendig sei und sich aus unserer Geschichte ergebe. Habeck betont in dem Video, die Gründung Israels nach dem Holocaust sei „das Schutzversprechen an die Jüdinnen und Juden. Und Deutschland ist verpflichtet zu helfen, dass dieses Versprechen erfüllt werden kann.“

Das ist ein historisches Fundament unserer Republik.

Habeck im Video: „Angst“ ist zurück

Aber genau dieses Versprechen, das Jüdinnen und Juden in Deutschland frei und ohne Angst leben könnten, sei nun in Gefahr. Er berichtet von „schmerzhaften Gesprächen“ mit der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Die Menschen hätten berichtet, „dass Kinder nun Angst hätten, zur Schule und in Sportvereine zu gehen und ihre Religionszugehörigkeit etwa durch das Tragen der Davidstern-Kette zu zeigen.“ Habeck wirkt emotional, wenn er sagt:

Die jüdischen Gemeiden warnen ihre Mitglieder, bestimmte Plätze zu meiden – zu ihrer eigenen Sicherheit. Und das heute, hier, in Deutschland, fast 80 Jahre nach dem Holocaust.

Während es „große Solidaritätswellen“ bei rassistischen Übergriffen gebe, sei die Solidarität bei Israel „rasch brüchig“. Dann hieße es, der „Kontext sei schwierig“. Aber, und das betont Habeck, Kontextualisierung dürfe nicht zu Relativierung führen und Antisemitismus sei „in keiner Gestalt zu tolerieren – in keiner“.

Der Terrorangriff der Hamas auf #Israel ist jetzt bald vier Wochen her. Vieles ist seitdem passiert, die öffentliche Debatte aufgeheizt und verworren. Im Video deshalb einige Gedanken von Vizekanzler und Minister Robert #Habeck zur Einordnung und Differenzierung. pic.twitter.com/v79XcHpVZo

Habeck erinnnert auch an Leid im Gazastreifen

Habeck nimmt auch explizit und ausführlich Stellung zum Leid und der Perspektivlosigkeit in Gaza und betont, dass Kritik an Israel bei uns „natürlich“ erlaubt ist. Es sei „eben nicht verboten (...) für die Rechte der Palästinenserinnen und Palästinenser und auch ihr Recht, auf einen eigenen Staat einzutreten“. Aber der Aufruf zu Gewalt gegen Juden oder das Feiern der Gewalt gegen Juden sei etwas völlig anderes und „zurecht“ verboten.

Ja, das Leben in Gaza ist Leben in Perspektivlosigkeit und Armut. Ja, die Siedlerbewegung in der Westbank schürt Unfrieden und nimmt Palästinensern Hoffnung und Rechte und zunehmend auch Leben. Und das Leid der Zivilbevölkerung jetzt im Krieg ist eine Tatsache, eine fürchterliche Tatsache. Jedes tote Kind ist eines zu viel.

Auch er fordere humanitäre Lieferungen, setze sich dafür ein, dass Wasser, Medikamente, Hilfsgüter nach Gaza kommen, dass die Flüchtlinge geschützt werden. „Zusammen mit unseren amerikanischen Freunden machen wir Israel immer wieder deutlich, dass der Schutz der Zivilbevölkerung zentral ist. Der Tod und das Leid, das jetzt über die Menschen im Gazastreifen kommt, sind schlimm. Das zu sagen ist so notwendig wie legitim. Systematische Gewalt gegen Jüdinnen und Juden aber kann damit dennoch nicht legitimiert werden. Antisemitismus kann damit nicht gerechtfertigt werden.

Das Leid der Kinder in Israel und dem Gazastreifen Israelischer Journalist: „Mich schmerzt jedes einzelne Kind, das man in Gaza sterben sieht“

Der Hamas-Terror am 7. Oktober habe eine Lösung des Nahostkonflikts über Generationen zerstört, sagt ein junger Journalist aus Israel. Wie groß das Trauma für das Land ist, erzählt er im SWR3-Interview.

Was sagt Olaf Scholz zu dem Video? Einschätzungen des SWR3-Hauptstadtkorrespondenten

Warum kommt so eine Rede jetzt von Vizekanzler Habeck und nicht von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)? War die Rede abgesprochen in der Regierung? SWR3-Hauptstadtkorrespondent Christopher Jähnert schätzt die Rede von Habeck noch einmal für uns ein:

Logo SWR3 (Foto: SWR, SWR)

SWR3 Topthema Habeck geht viral: Einschätzung von Christopher Jähnert

Dauer

Ein Video von Wirtschaftsminister Habeck geht grade viral. In 10 Minuten bezieht er Stellung zum Antisemitismus. Spricht über Rechte und Pflichten in Deutschland, darüber, dass Kritik an Israel erlaubt ist. Auch, dass man auf die Not der zivilen Bevölkerung im Gazastreifen schauen muss. Er sagt aber auch klar und mehrfach sehr deutlich: Gewalt gegen Juden und jede Form von Antisemitismus darf es in Deutschland nicht geben.

Reaktionen auf Habecks Grundsatzrede: „beeindruckend“ und „in dieser Form die Ausnahme“

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erklärte, ein so klares und ausgewogenes Statement, „das auch die berechtigten Belange der Palästinenser ausdrücklich erwähnt“, habe er „in dieser Form in den letzten Wochen nicht gesehen“.

Auch der Islamexperte Eren Güvercin sprach im Onlineportal t-online von einer „beeindruckenden Grundsatzrede“, während die Bundesregierung ansonsten „erschreckend stumm“ geblieben sei. Ähnliches, sagte der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm, der die „unterstützenswerten“ Worte Habecks begrüßte und gleiches von der Bundesregierung forderte.

Habeck: Straftaten werden hart verfolgt

Zum Ende des Videos zeigt Habeck klare Kante gegen „Israelhasser“ und Unterstützer der radikalislamischen Hamas in Deutschland. „Das Ausmaß bei den islamistischen Demonstrationen in Berlin und in weiteren Städten Deutschlands ist inakzeptabel und braucht eine harte politische Antwort.“ Das Verbrennen von israelischen Fahnen bei Demonstrationen sowie „das Preisen des Terrors der Hamas“ seien Straftaten, unterstreicht Habeck.

Wer Deutscher ist, wird sich dafür vor Gericht verantworten müssen. Wer kein Deutscher ist, riskiert außerdem seinen Aufenthaltsstatus. Wer noch keinen Aufenthaltstitel hat, liefert einen Grund, abgeschoben zu werden.

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