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Cornelia Stenull
Cornelia Stenull (Foto: SWR3)

Der Tod von Jina Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei hat vor einem Jahr eine riesige Protestwelle im Iran ausgelöst. Manche sprachen von einer Revolution. Was ist davon übrig geblieben?

Vor einem Jahr wird Jina Mahsa Amini auf einer Straße in Teheran von der iranischen Sittenpolizei festgenommen – sie hatte ihr Kopftuch offenbar nicht „korrekt“ getragen. Unter ihrem Kopftuch seien Haarsträhnen zu sehen gewesen, heißt es von der Polizei. Am 16. September 2022 stirbt die junge Frau im Gefängnis.

Menschenrechtlerinnen warfen der iranischen Führung vor, Jina Mahsa Amini in der Haft misshandelt zu haben. Ihr Tod löste landesweite Proteste im Iran aus. Über Monate demonstrierten Zehntausende Menschen mit der Parole „Woman, Life, Freedom“, vor allem jungen Menschen – Frauen und Männer.

Tod von Mahsa Amini löst Proteste im Iran aus

Sie forderten nicht nur ein Ende des Kopftuchzwangs, sondern auch den Rücktritt des obersten geistlichen Führers Ayatollah Ali Khamenei, der bis dahin als politisch unangreifbar galt. Es waren die größten Proteste seit 44 Jahren, seit das Mullah-Regime im Iran an der Macht ist. Mit ihrem Aufstand gegen die Führung des Landes riskierten die Menschen ihr Leben.

Dies ist kein Protest mehr, dies ist eine Revolution im Iran. Und die Menschen der Welt müssen es sehen.

Die brutalen Konsequenzen folgten: Irans Sicherheitsapparat ging mit voller Gewalt gegen die Demonstranten vor. Hunderte Menschen kamen ums Leben, Tausende ins Gefängnis. Nach 23 Todesurteilen und der Hinrichtung von sieben Männern stoppten die Proteste fast komplett.

Frauen ohne Kopftuch im Iran – so ist die aktuelle Situation

ARD-Korrespondentin Karin Senz war im Juli 2023 im Iran. Sie berichtet, dass es seit einiger Zeit kaum noch größere Demonstrationen von Frauen im Iran gibt. Das bedeute aber nicht, dass vor allem die Frauen nichts erreicht hätten, sagt Karin Senz. Sie habe beobachtet, dass einige Frauen auf den Straßen oder im Auto ohne Kopftuch unterwegs sind. Sie nehmen in Kauf, dass sie hohe Geldstrafen zahlen müssen oder ihren Führerschein verlieren. Gerade jetzt, im Vorfeld des Jahrestags, habe es scharfe Drohungen und viele Festnahmen gegeben. Dennoch: Vor einem Jahr, vor dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini, hätte sich kaum eine Frau im Iran ohne Kopftuch auf die Straße gewagt.

Auf Instagram erzählt ARD-Korrespondentin Karin Senz über ihre Eindrücke:

Die Journalistin Natalie Amiri schreibt auf Instagram, dass der Familie von Jina Mahsa Amini die Trauerfeier verboten wurde. Das Internet sei gedrosselt, Einsatzkräfte seien in Stellung gebracht und Kameras mit Gesichtserkennung installiert worden. Aber die iranischen Frauen würden weiter kämpfen.

Iran: Die Sittenpolizei kehrt auf die Straßen zurück

Kurz bevor sich der Todestag von Jina Mahsa Amini am 16. September 2023 zum ersten Mal jährte, verschärfte das Regime im Iran den Druck auf die Bevölkerung deutlich: Im Juli verkündete der iranische Polizeichef, dass die gefürchtete Sittenpolizei wieder auf die Straßen zurückkehren solle, um die Kopftuchpflicht durchzusetzen. Nach dem Tod von Mahsa Amini war sie angeblich zurückgezogen worden.

Zudem sprach der iranische Präsident Ebrahim Raisi in einem Fernsehinterview eine Warnung aus: „Diejenigen, die vorhaben, Mahsa Aminis Namen zu missbrauchen, ein Agent von Ausländern zu sein, Instabilität im Land zu schaffen – wir wissen, was mit ihnen geschehen wird.“ Die Sicherheits- und Geheimdienste würden mögliche Protestaktionen im Zusammenhang mit dem Jahrestag „wachsam beobachten.“

ARD-Korrespondentin Karin Senz hat Frauen im Iran getroffen. Im Audio-Beitrag beschreibt sie, wie groß der Druck ist, der auf ihnen lastet. Frauen ohne Kopftuch werden nach wie vor verfolgt und bestraft. Jetzt scheint sich das wieder zu intensivieren.

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Nachrichten Iran intensiviert Kleiderkontrollen: Kopftuchzwang als Symbol der Macht

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Der iranische Polizeichef hat angekündigt, die gefürchtete Sittenpolizei werde wieder auf die Straßen zurückkehren. Nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im September nach einer Kopftuchkontrolle hatte das Regime im Dezember verkündet, sie werde aufgelöst. Viele sagen aber, die Sittenpolizei war nie wirklich weg. Frauen ohne Kopftuch wurden nach wie vor verfolgt und auch bestraft. Jetzt scheint sich das wieder zu intensivieren. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass die Frauen sich wieder unter das Kopftuch zwingen lassen.

Preis für „Woman, Life, Freedom“

Die Parole „Woman, Life, Freedom“ („Frau, Leben, Freiheit“) verbreitete sich während der Proteste 2022 weit über den Iran hinaus, sie wurde in der Welt gehört und gerufen. Unterstützung bekamen die Demonstrierenden im Iran damals auch aus Deutschland. In Berlin machten sich Zehntausende gegen die Unterdrückung und Diskriminierung im Iran stark. Die BBC Persian sprach von den größten Anti-Regime-Protesten außerhalb des Irans.

Zum Todestag von Jina Mahsa Amini wurde die iranische Freiheitsbewegung „Woman, Life, Freedom“ mit dem Medienpreis M100 Media Award ausgezeichnet. Mit dem Preis sollen nach Angaben der Veranstalter mutige Frauen, Mädchen und Männer geehrt werden, die in ihrer Heimat gegen Unterdrückung und für Freiheit und Menschenrechte protestieren.

M100 MEDIA AWARD TO THE WOMEN, LIFE, FREEDOM MOVEMENT OF IRANIranian activist @shimababaeii accepts Award on 14 Sept. in @LH_Potsdam | @vonderleyen, President of @EU_Commission, gives laudatory speech | TV journalist @PinarAtalay hosts the ceremony.👉 https://t.co/ntXTmBa9yw pic.twitter.com/JvUBA9AVMU

Tom Odell „Another Love“ und Shervin Hajipour „Baraye“

Während der Proteste wurde Tom Odells „Another Love“ zur Hymne für den Iran. Bei einem Konzert hatte Tom Odell selbst den Song den Frauen im Iran gewidmet.

Ebenso wie der iranische Song „Baraye“ des Sängers Shervin Hajipour. Seine Ballade berührte Millionen Menschen im Iran. Bei den Grammys gewann Shervin Hajipour den Preis in der erstmals vergebenen Kategorie „Bester Song für sozialen Wandel“.

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