In der libyschen Stadt Darna sind nach den Überschwemmungen 55 Kinder wegen durch Abwasser verschmutztes Trinkwasser krank geworden. Das hat der Leiter des Nationalen Zentrums für Krankheitsbekämpfung, Haider al-Sajih, gesagt. Die Kinder kommen aus Familien, die durch die Fluten vertrieben wurden. Nun geht in Darna die Furcht vor einem möglichen Ausbruch der Magen-Darm-Krankheit Cholera um.
Das Gesundheitsministerium in der Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes warnte laut der Zeitung Arab News, in Darna gebe es Grundwasser, das mit Leichen, Tierkadavern, Müll und chemischen Substanzen verschmutzt sei. „Wir bitten die Menschen dringend, sich den Brunnen in Darna nicht zu nähern“, wurde der Gesundheitsminister zitiert.
Anstieg der Infektionen: Cholera: Eine vermeidbare Krankheit
So wird den Menschen in Libyen geholfen
Zwei Bundeswehrflugzeuge haben am Donnerstagabend (14. September) Material des Technischen Hilfswerks (THW) ins Katastrophengebiet geflogen. Geliefert wurden:
- 100 Zelte mit Beleuchtung
- 1.000 Feldbetten
- 1.000 Decken
- 1.000 Isomatten
- 1.000 Wasserfilter
- 80 Stromgeneratoren
Der Wert der Hilfsgüter liegt bei rund 500.000 Euro. Begleitet wurden die Flüge von zwei THW-Auslandslogistikern, die jetzt die Übergabe der Hilfsgüter in Libyen sicherstellten.
Am Samstag (16. September) sind außerdem in der libyschen Hafenstadt Bengasi 29 Tonnen Hilfsgüter für die Überlebenden der Überschwemmungen eingetroffen. Das Material umfasst nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO lebenswichtige Medikamente, Material für Operationen, aber auch Leichensäcke. Es reiche für 250.000 Menschen.
Schwere Überschwemmungen in Libyen: Das ist passiert
In dem nordafrikanischen Land hat es am Sonntag (10. September) heftige Überschwemmungen gegeben. Viele Tausend Menschen wurden dabei getötet oder gelten noch als vermisst.
3.166 Tote seien bis Freitagmittag (15. September) gezählt worden, gab der Gesundheitsminister des besonders betroffenen Osten Libyens an. In den vergangenen Tagen hatte es widersprüchliche Angaben zur Zahl der Todesopfer gegeben, die zwischen rund 5.000 und 11.000 schwankten. Angesichts dieses Wirrwarrs erhob der Gesundheitsminister den Anspruch, dass fortan nur Zahlen seines Hauses Gültigkeit hätten.
Am schlimmsten hat es die Nordostküste von Libyen getroffen – unter anderem die Städte Darna und Marj. Ein Vertreter der Stadtverwaltung von Darna beschrieb die Situation vor Ort als „katastrophal“. Nach heftigen Regenfällen waren am Montagmorgen (11. September) zwei Dämme gebrochen. Eine riesige Flutwelle hatte sich durch die Straßen gewälzt – so schnell, dass sich die Menschen nicht mehr in Sicherheit bringen konnten. Die Welle riss alles mit, was ihr im Weg stand. Ganze Viertel der 100.000-Einwohner-Stadt wurden ins Meer gespült. „Wir erwarten eine sehr hohe Zahl von Opfern. Ausgehend von den zerstörten Bezirken in der Stadt Darna können es 18.000 bis 20.000 Tote sein“, sagte Bürgermeister Abdel-Moneim al-Gheithy dem arabischen Sender Al Arabia. Augenzeugen vor Ort berichten, Darna sei auch Tage nach der Überschwemmung noch immer „voller Leichen“.
Wie schnell das Wasser durch die Straßen von Darna schoss, zeigt ein Video aus der Stadt. Darauf ist zu sehen, wie Menschen panisch versuchen, sich zumindest aufs Dach ihrer Fahrzeuge zu retten.
Wie schwer die Zerstörung in der Stadt Darna ist, zeigen diese Vorher-Nachher-Aufnahmen:
Nach Flutkatastrophe: Hoffnung auf Überlebende schwindet
Rettungsteams suchen auch Tage nach dem Unglück weiter in den Trümmern nach Überlebenden. Doch die Hoffnung schwindet von Stunde zu Stunde. 10.000 Menschen gelten seit Montag als vermisst, wie viele davon seither tot oder lebend gefunden wurden, ist unklar.
Die Sprecherin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Margaret Harris, sprach von einer Katastrophe „von epischem Ausmaß“. Die Lage sei laut UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths „schockierend und herzzerreißend“. Die vordringlichste Aufgabe sei es nun, die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Nach Einschätzung des Leiters der Libyen-Delegation beim Internationalen Roten Kreuz, Yann Fridez, könnte es „viele Monate, vielleicht Jahre dauern, bis die Anwohner sich von diesem riesigen Ausmaß an Zerstörung erholt haben“. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) geht von mehr als 30.000 Obdachlosen in der Hafenstadt Darna aus. Laut der Deutschen Presse-Agentur lassen sich diese Zahlen aber nicht unabhängig bestätigen.
Libyen: 30.000 Obdachlose durch Überschwemmungen allein in Darna
WMO: Viele Opfer hätten verhindert werden können
Die meisten Opfer bei der Überschwemmungskatastrophe hätten aus Sicht des Generalsekretärs der Weltwetterorganisation (WMO), Petteri Taalas, verhindert werden können. Hätte es normal operierende Wetterdienste gegeben, hätten diese Warnungen herausgeben können, sagte er. „Die Notfallbehörden wären in der Lage gewesen, die Evakuierung umzusetzen.“
Die WMO hatte zuvor in dieser Woche erklärt, dass der nationale Wetterdienst 72 Stunden vor den Überschwemmungen die Regierungsbehörden via E-Mail und durch Medien informiert habe. Vertreter der Behörden im Osten Libyens hatten die Öffentlichkeit vor einem herannahenden Sturm gewarnt und Anwohner von Küstengebieten zur Evakuierung aufgerufen, weil sie Sturzfluten vom Meer aus erwarteten. Eine Warnung über die Gefahr von Dammbrüchen hatte es aber nicht gegeben.
Libyen ist nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 zwischen rivalisierenden Regierungen im Osten und Tripolis im Westen geteilt. Seit Jahren herrscht dort Bürgerkrieg. Durch den Konflikt wurden vielerorts Infrastruktureinrichtungen vernachlässigt.
Sturmtief „Daniel“: Überschwemmungen in Griechenland und Libyen
Das Sturmtief, das für die Katastrophe verantwortlich ist, ist kein unbekanntes. „Daniel“ hat nur wenige Tage zuvor für heftige Überschwemmungen in Griechenland gesorgt. „Das war dasselbe Sturmtief“, hat Wetterexperte Andreas Machalica SWR3 gesagt, „das ist langsam weiter nach Süden gezogen“.
In der griechischen Hafenstadt Volos gab es zum Teil bis zu 700 Liter Regen in der Stunde. Zum Vergleich: Bei den schweren Überflutungen im Ahrtal vor zwei Jahren hat es zwischen 100 und 200 Liter in der Stunde geregnet.
Über Libyen hat sich Daniel weiter ausgeregnet. Nach Angaben des Wetterdienstes waren von Sonntag bis Montag 414 Liter Regen pro Quadratmeter niedergegangen. Bilder in den sozialen Medien aus den betroffenen Gebieten zeigen gewaltige Schlammlawinen, eingestürzte Gebäude und ganze Stadtteile, die unter schlammigem Wasser stehen. In die betroffenen Regionen kommt man zurzeit nur schwer, die Telefon- und Internetverbindungen sind weitgehend unterbrochen.
Internationale Hilfe für Libyen ist unterwegs
Neben Deutschland helfen auch andere Länder. Die italienische Regierung hat schon ein Rettungsteam in die betroffenen Gebiete geschickt. Und auch Länder wie die USA, Frankreich, Katar, Ägypten und Tunesien boten ihre Hilfe an.
Die Vereinten Nationen wollen ebenfalls helfen. Man arbeite mit lokalen, nationalen und internationalen Partnern zusammen, „um den Menschen in den betroffenen Gebieten dringend benötigte humanitäre Hilfe zukommen zu lassen“, sagte ein Sprecher des UN-Generalsekretärs António Guterres in New York. Ein UN-Team sei vor Ort. Man kooperiere mit den Behörden, um Bedarf zu ermitteln und laufende Hilfsmaßnahmen zu unterstützen.
Wenn ihr die von der Katastrophe betroffenen Menschen in Libyen unterstützen möchtet, findet ihr hier entsprechende Möglichkeiten zum Spenden:
Spenden Spenden: Hilfe für die Menschen in Libyen
Wenn Sie für die Menschen in Libyen spenden wollen, finden Sie hier Hilfsorganisationen und Bankverbindungen.