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Kira Urschinger
Kira Urschinger (Foto: SWR3)

„Ja klar kann ich das machen“, sagst du und denkst: „Eigentlich will ich gar nicht.“ Kennst du das? Dann sind unsere Tipps das Richtige für dich.

Natürlich wäre unsere Gesellschaft ganz schön arm dran, wenn man nicht jemandem mal einen Gefallen tun würde. Und weder im Beruf noch in der Familie kann man sich immer nur den Aufgaben widmen, auf die man gerade Lust hat. Wenn es aber zur Belastung wird und dauerhaft Stress verursacht, dass man schon wieder „Ja“ gesagt hat, obwohl man eigentlich gerade nicht noch etwas übernehmen kann – dann ist der Punkt gekommen, an sich und einem eindeutigen „Nein“ zu arbeiten. Ob im Job, in der Familie, unter Freunden oder dem Partner gegenüber – es ist wichtig, dass man Grenzen setzen und auch mal ablehnen kann, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

„Nein“ sagen – 7 Tipps, wie es dir leichter fällt

1. Sag nicht sofort „Ja“, lass dir Zeit für deine Antwort

Der Chef fragt dich, ob du die Präsentation noch übernehmen kannst. Der Partner bittet darum, dass du dich um die Orga des Kindergeburtstag kümmerst. Dein Kumpel schafft es nicht mehr zur Packstation und wäre total happy, wenn du ihm sein Paket auf dem Heimweg abholen und vorbeibringen könntest.

Wenn du dazu neigst, einfach sofort „Ja“ zu sagen, um im Nachhinein zu merken, dass dich das jetzt eigentlich ganz schön stresst, dann räume dir am besten erst einmal Bedenkzeit ein. Niemand kann verlangen, dass du sofort eine Antwort gibst. Fordere das ruhig ein und nimm die Frage erst einmal mit. Das kann helfen, um dich zu sortieren und dann eine Entscheidung zu treffen, die etwas ausgeruhter daher kommt. Das kann natürlich eine Zusage, aber eben auch eine Absage sein.

Ideen zur Formulierung – Antwort kommt später

  • „Ich werde da mal noch drüber nachdenken und mich bei dir melden.“
  • „Das nehme ich gern so mit und sage dir Bescheid.“
  • „Das kann ich so schnell nicht entscheiden, ich melde mich morgen bei dir. Danke fürs Verständnis.“

2. „Nein, weil...“ – ein klar formulierter Grund kann helfen

Ein guter Grund für eine Absage kann helfen, um sie für das Gegenüber, aber auch für sich selbst nachvollziehbar zu machen. Den Grund oder die Gründe kannst du in deiner Bedenkzeit gut sortieren und überlegen, wie du sie formulierst. Manchmal kann die Angabe von Gründen auch helfen, eine Lösung gemeinsam mit dem Gegenüber zu finden. Im Übrigen gibt es aber auch viele Situationen, in denen ein „Nein“ akzeptiert werden sollte, ohne dass es eine Begründung braucht. Das ist natürlich stark vom Einzelfall abhängig.

Wichtiger Hinweis – ein Grund ist keine Ausrede

Ein klar formulierter Grund ist oft gut. Eine schwammige Ausrede weniger. Deshalb gilt es, hier aufrichtig zu sein und die eigenen Belange deutlich zu formulieren.

  • Nicht so gut: „Also ich bin mir nicht so sicher, ob mein Partner das gut findet, wenn ich das mache und wir waren doch auch erst zusammen weg...“
  • Besser: „Ich habe heute keine Zeit dafür. Gern ein andermal.“

Es liegt nicht immer nur an uns das Neinsagen zu lernen (auch wenn das schon schwierig ist), sondern sehr oft auch am Umfeld das Nein überhaupt zu akzeptieren. #ConsentCulture

3. Bleib bei deinem „Nein“ – mit der richtigen Formulierung

Wenn du „Nein“ gesagt hast, bleib dabei und lass dich nicht von Nachfragen verunsichern. Leichter gesagt als getan. Aber die richtige Formulierung kann helfen. Interessante Ergebnisse gab es bei einem Versuch von Forschern der Universität Oxford mit 120 Studierenden. Sie gaben Probanden in verschiedenen Szenarien unterschiedliche Formulierungen zur Ablehnung an die Hand: „Ich kann nicht“, „nein“ und „ich werde nicht“.

Diejenigen, die „ich kann nicht“ als Argument nutzten, blieben in allen Versuchen am wenigsten standhaft und ließen sich am schnellsten umstimmen. Wer „ich werde nicht“ als Leitsatz für sich hatte, blieb überwiegend dabei. Am wirksamsten für andere und einen selbst war aber die klare Haltung mit einem einfachen „Nein“.

4. Körpersprache kann helfen – Kopf hoch!

Körpersprache hat zweierlei Auswirkungen: Erstens wirke ich auf mein Gegenüber und zweitens auch auf mich selbst. Wer sich schwer tut, Nein zu sagen und dabei zu bleiben, kann sich mit einer selbstbewussten Körpersprache helfen:

  • Ein bisschen breitbeinig stehen, nicht herumtänzeln.
  • Kopf hoch, nicht runtergucken.
  • Schultern zurück und Rücken gerade, statt in sich zusammengefallen.

5. Mach dir klar, dass es nicht unhöflich ist, Nein zu sagen

Hast du oft ein schlechtes Gewissen oder sogar Angst davor, Nein zu sagen? Vielleicht liegt das daran, dass du es als unhöflich empfindest, jemandem eine Absage zu erteilen. Dabei ist das in den meisten Fällen eher eine Frage des Tonfalls. Denn Nein zu sagen gehört zum Leben dazu – wer das nicht respektieren kann, sollte darüber vielleicht eher nachdenken als dass du dir Sorgen machst.

Ein wunderbares Beispiel für ein wahnsinnig freundlich klingendes Nein ist übrigens dieser Song hier von der Funk-Instagrammerin Kopfstimme. Lass dich inspirieren:

6. Nein zu sagen bedeutet auch, sich selbst zu respektieren

Wichtig ist für viele Menschen zu verstehen, dass sie es nicht immer anderen recht machen müssen, sondern auch sich selbst. Wenn ich also jemandem zusage, obwohl ich weiß, dass es mich jetzt über das Maß belastet, wenn ich das tue, sollte es auch einen hohen Wert haben, mich selbst zu schützen. Dieser Aspekt ist ein Grund, warum das Nein sagen auch in der Thematik rund um Resilienz, Achtsamkeit und Selbstliebe immer wieder besprochen wird. Ein „Nein“ zu jemand anderem kann ein „Ja“ zu mir selbst und meinen eigenen Bedürfnissen sein. Denn klar ist: Wer sich selbst immer hinten anstellt, tut sich auf Dauer nichts Gutes.

Tipp: Setze bewusst Prioritäten

Mach dir klar, was du vernachlässigen musst oder nicht mehr schaffst, wenn du jetzt zusagst. Beispiele:

  • Wenn du deiner Kollegin ihre Aufgabe abnimmst und dafür zwei Stunden länger arbeitest, verpasst du deinen Yoga-Kurs?
  • Wenn du statt deinem Partner zum Elternabend gehst, ist dann dein einziger freier Abend der Woche dahin?

Frage dich, was dir wichtiger ist – und setze verantwortungsbewusst und mit Respekt gegenüber deinen eigenen Bedürfnissen die Prioritäten.

Guten Morgen! Ich wünsche Euch, heute den Segen zum Neinsagen zu dem, was Ihr von Herzen nicht wollt, und die Kraft, das Ja in Euch für das zu finden, was Ihr liebt!

„Nein“ zu sagen ist gesund!

Der Mediziner Dr. Johannes Wimmer ist sich sicher, dass der Ursprung dafür, dass wir so schlecht Nein sagen können, in der Kindheit liegt. Hier hätten wir oft bereits gelernt, dass Widerspruch für Stress sorgt und sozial unerwünscht ist. Dabei ist es auch für unsere Gesundheit unbedingt nötig an den richtigen Stellen Nein zu sagen. Das macht uns auch glücklicher!

7. Auf die Signale des Körpers achten, Stress erkennen

Besonders schwer wird das Nein sagen, wenn es sich nicht um das Ablehnen von Gefälligkeiten oder Aufgaben im Alltag handelt, sondern man wirklich großflächig die Bremse reinhauen muss – zum Beispiel, weil man unter dauerhaftem Stress zerbricht, kurz vor einem Burnout steht oder insgesamt psychisch und körperlich nicht mehr kann.

Benedikt Waldherr, Psychotherapeut und Vorsitzender des Bundesverbandes der Vertragspsychologen, hat die Erfahrungen gemacht, dass Menschen oft erst ihre Grenzen verbalisieren, wenn sie wirklich schon so tief drinstecken, dass es keinen Ausweg mehr gibt. Er rät in der SWR3-Vormittagsshow:

Hören Sie auf ihren Körper. Wenn Sie Schlafstörungen entwickeln, Atembeklemmungen, Herzrasen – das sind so die ersten Anzeichen, die dafür sprechen, dass man unter chronischem Stress steht.

Wichtig sei, sich die eigene Belastung bewusst zu machen und es auch laut auszusprechen, wenn man diese Signale bemerkt. Waldherr empfiehlt dann einerseits den Hausarzt als wichtige Anlaufstelle, andererseits aber auch professionelle Unterstützung durch einen Therapeuten. Die wichtigste Arbeit beginnt aber bereits im Umfeld:

Da sind Gespräche mit Familienangehörigen, mit wichtigen Freunden extrem hilfreich, um herauszufinden: 'Was brauche ich denn jetzt?'

Das sei nicht immer einfach und man müsse auch damit rechnen, über längere Zeiträume an sich arbeiten zu müssen. Dann aber sieht Waldherr die Chancen aus seiner Erfahrung heraus positiv:

Wenn man bereit ist zu reflektieren, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass man dazu lernt, sehr sehr hoch.

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