Gerade ist es wieder geschehen, beim Ocean Race vor der Küste Spaniens: Orcas, große Verwandte der Delphine, greifen scheinbar einen der Rennsegler an. Skipper Jelmer van Beek hat die Szene gefilmt:
Immer wieder scheinen die Tiere das Ruder zu rammen, bis es zerbricht. Das Gebiet um Gibraltar ist bekannt für solche Orca-Angriffe auf Jachten und Fischerboote. In einigen Fällen wurden die Boote dabei stark beschädigt. „Mindestens drei gingen schon unter“, heißt es in einer Mitteilung der Ocean-Race-Veranstalter.
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Alt: die „Trauma-Hypothese“ um Orca-Anführerin „White Gladis“
Seit 2020 reißen solche Meldungen nicht mehr ab. Die bisher am häufigsten verbreitete Theorie, warum die Tiere das plötzlich tun, ist die „Trauma-Hypothese“: Ein älteres Tier, eine Familienanführerin mit Namen „White Gladis“, habe sich in irgendeiner Situation an einem Boot verletzt oder sich in Leinen verheddert, glauben manche Wissenschaftler.
Dann habe Gladis angefangen sich für ihr Trauma an allen Booten zu „rächen“. Andere Tiere aus ihrer Herde hätten dann von ihr gelernt und das Verhalten nachgeahmt. In diesem kleinen Teil des Atlantik zwischen Portugal, Spanien und Marokko gibt es nur rund 50 Orcas, die sogenannten Iberischen Orcas. Die Frage lautet: Kennen sie so etwas wie Rache?
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Neu: die „Spaß- und Mode-Hypothese“ – Orcas gehen nur einem „harmlosen“ Spiel nach
Jetzt gibt es eine neue Erklärung: Orca-Spezialist Renaud de Stephanis hat den Säugern falsche Schiffsruder zum Kaputtmachen präsentiert und sie dabei mit Dutzenden Kameras gefilmt. Er leitet ein Orca-Forschungsprojekt im Auftrag des spanischen Umweltministeriums und der Umweltschutzgruppe CIRCE.
Gegenüber der BBC beschreibt er: „Sie stoßen zu, stoßen zu, stoßen zu – BUMM!“ Es sei ein Spiel. Nicht mehr und nicht weniger.
„Stellen Sie sich ein Kind mit einem Gewicht von drei Tonnen vor“
„Stellen Sie sich ein 6-7-jähriges Kind mit einem Gewicht von drei Tonnen vor“, erklärt de Stephanis seine „Spaß- und Mode-Hypothese“. Die Ruder würden auch nicht agressiv zerbissen, sondern per Druck kaputt gestupst.
Auch der Segler und Buchautor Thomas Käsbohrer glaubt an ein Spiel namens „Ruderknacken“. Käsbohrer im SWR-Interview:

Orca-Angriffe auf Segelboote: Keine Rache sondern neue "Sportart“?
- Dauer
Immer häufiger haben Orcas in letzter Zeit Segelboote angegriffen und zum Kentern gebracht. Segler und Buchautor Thomas Käsbohrer kann die aktuelle Angst vor den Orcas bzw. Schwertwalen gut nachvollziehen. "So ein Schwertwalbulle wiegt neun Tonnen und ist neun Meter lang, da kommt schon einiges was auf einen zu, wenn man auf dem Meer ist“, erklärt Käsbohrer. Für das "Warum“ gebe es dutzende Theorien, Wissenschaftler rätselten bis heute darüber. Käsbohrer selbst glaubt an die "Spiel-Theorie“: "Schwerwale sind sehr intelligente Raubtiere und vor allem sehr soziale Tiere. Sie spielen richtig miteinander. Und im Moment scheint es mir, als hätten sie sich gerade einfach eine neue Sportart gesucht“, meint Käsbohrer. Für das aktuelle Narrativ, Orcas würden gegen die Menschen „zurückschlagen“ oder sich rächen, sieht der Segler keine Belege, erklärt er im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderatorin Ulrike Alex.
Experte: Nur ein spektakuläres Spiel einer ganz kleinen Orca-Gruppe
Wenn die Orcas das Boot wirklich versenken wollten, so de Stephanis, brauchten sie dafür keine zehn Minuten. Die beschriebenen Angriffe dauern allerdings meist um die 40 Minuten und am Ende ist nur das Ruder kaputt.
Was Forscher schon seit einiger Zeit wissen: Von den rund 50 bekannten Iberischen Orcas (weltweit gibt es rund 50.000 Tiere) seien nur rund 15 bis 18 immer wieder in die „Begegnungen“ verwickelt.
Diese wenigen Tiere hätten da einfach etwas Neues erfunden und würden es jetzt immer wiederholen, wie eine neue Mode. Dabei sei das kein Angriff, sondern ein Spiel mit einem beweglichen Teil des Bootes, das weit herausstehe.
Also Trauma oder Spaß? Beides scheint möglich. Zumindest haben die Hypothesen um die „Killer-Wale“, wie sie früher genannt wurden, eine neue Version – eine, die den intelligenten Tieren womöglich eher gerecht wird.
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