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Steffi Lingscheidt
Nils Dampz
Nils Dampz (Foto: SWR3)

Wer in Italien einen Führerschein hat, muss ihn nach 10 Jahren verlängern. Ohne Gesundheitscheck gibt's keinen neuen. Wie sieht es in anderen EU-Ländern aus?

Laut Bußgeldkatalog 2018 rechtfertigen körperliche, geistige, aber auch charakterliche Mängel einen Führerscheinentzug. Oft sind im Alter körperliche Defizite ausschlaggebend. Doch nicht alle Menschen sind gleich. Es gibt 80-Jährige, die fitter sind als manche 20-Jährige. Deswegen ist es auch schwierig einen generellen Führerscheinentzug einzuführen.

Andere Länder, andere Sitten

In Deutschland kann man sich theoretisch selbst zum Bestattungsunternehmen fahren, es gibt einfach kein Alterslimit für den Führerschein. Im Ausland läuft das oft anders:

  • Italien: Menschen unter 50 müssen alle zehn Jahre zur Kontrolle. Ab dem 50. Lebensjahr wird härter überprüft. Dann muss alle fünf Jahre der Führerschein verlängert werden, ab 70 alle drei Jahre und ab 80 alle zwei Jahre.
  • In Belgien ordnen Ärzte einen Fahrtauglichkeitstest an, wenn sie merken, dass ihre Patienten nicht mehr fit genug zum Autofahren sind. Aber auch eine Versicherung, die mitbekommt, dass ein Fahrer über 70 überdurchschnittlich viele Unfälle baut, kann einen Fahrtauglichkeitstest beantragen.
  • Niederlande: Dort gibt es auch eine Attest-Pflicht. Die gilt schon ab 75, allerdings wird hier nur alle fünf Jahre gecheckt, ob man noch fit genug ist, ein Auto zu fahren.
  • In der Schweiz müssen sich Autofahrer, die über 75 Jahre alt sind, alle zwei Jahre von einem Arzt medizinisch durchchecken lassen. 2019 wurde das Alterslimit angehoben – seitdem ist der medizinische Test erst ab 75 vorgeschrieben, nicht mehr ab 70. Einen freiwilligen Fahrsicherheitstest gibt es auch für unter-75-Jährige, bei dem sie kostenlos ihre Seh- und Denkfähigkeiten und die körperliche Fitness testen lassen können.
  • Deutschland: Auch bei uns müssen Führerscheine verlängert werden. Alle, die seit dem 19. Januar 2013 ausgestellt werden, gelten 15 Jahre. Der Unterschied bei uns: Wir müssen kein Attest beilegen, sondern nur ein Foto und aktuell 24 Euro Bearbeitungsgebühr. Das war's, egal wie alt wir sind.

Fitness-Test für alte Verkehrsteilnehmende?

Was tun, wenn Opa oder der ältere Vater immer weiter Auto fahren, wir aber den Eindruck haben: So ganz fit sind sie nicht mehr. Hoffentlich geht das gut. Immer wieder gibt es die Meldungen, dass Senioren unbewusst Gas- und Bremspedal verwechselt haben. Meistens dann, wenn anschließend etwas passiert ist. Der Gesetzgeber hält sich raus – viele Ältere sind schließlich auch Wähler, das ist heikel. Lobbyverbände wie der ADAC beziehen da klar Position und sagen: Alles so lassen. Langjährige Erfahrungen und besonnener Fahrstil gleichen altersbedingte Defizite aus. Und das ist falsch, sagt SWR3-Redakteur Gregor Glöckner:

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SWR3 Morningshow Fitness-Test für alte Verkehrsteilnehmende

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Was tun, wenn Opa oder der ältere Vater immer weiter Auto fahren, wir aber den Eindruck haben: So ganz fit sind sie nicht mehr. Hoffentlich geht das gut. Immer wieder gibt es die Meldungen, dass Senioren unbewusst Gas- und Bremspedal verwechselt haben. Meistens dann, wenn anschließend etwas passiert ist. Der Gesetzgeber hält sich raus – viele ältere sind schließlich auch Wähler, das ist heikel. Lobbyverbände wie der ADAC beziehen da klar Position und sagen: Alles so lassen. Langjährige Erfahrungen und besonnener Fahrstil gleichen altersbedingte Defizite aus. Und das ist falsch, sagt SWR3-Redakteur Gregor Glöckner:
TAKE
Es ist eine Szene, die etwas mit mir gemacht hat. Ich sitze am Steuer meines Autos und fahre durch ein Eifeldorf. Viel zu schnell, aber die Umstände zwingen mich. Denn am Steuer des Autos vor mir sitzt der 88jährige Freund meines Vaters, der Fahrstil ist erkennbar unsicher. Ich habe ihn zu seinem am Vortag abgestellten Auto gebracht. Nun rasen wir Zweier-Konvoi zurück.
Als ich ihn nach der Ankunft zur Rede stellen will, stoße ich auf Granit. Weder sei er zu schnell gefahren noch habe er irgendwen gefährdet. Mein – zugegeben drastisches – Argument ist: Das haben alle, die ihre Enkel oder wen anderes über den Haufen gefahren haben, vorher ebenfalls gesagt“ , Auch das zieht nicht.
Stattdessen die traurige Frage: Willst du mir meine letztes Stück Mobilität und Lebensfreude auch noch nehmen?
Nein, will ich nicht. Aber das Problem bleibt: Alte Menschen, die nicht mehr fit sind für die steigenden Anforderungen des Straßenverkehrs und die ihre Fitness nicht mehr selbst einschätzen können. Lösen sollen das wir, Freunde oder Verwandte. Mit gut zureden. Was die einen von uns nicht können und die anderen nicht wollen.
Deshalb hier der klare Wink Richtung Verkehrspolitik: Es ist euer Job, das zu lösen. Und gleich der konkrete Vorschlag hinterher: Jede und jeder ab 75 sollte regelmäßig – wenigstens alle zwei Jahre – medizinisch unter Beweis stellen, dass er oder sie noch geistig oder körperlich in der Lage ist, ein Auto zu fahren. Und nein, das ist keine Diskriminierung Genau deswegen wird es in anderen Fällen – etwa beim LKW-Führerschein oder Pilotenschein – längst so gemacht – aus gutem Grund. Das Motiv: Es soll keinem was passieren. Weder am Steuer noch dem Fußgänger noch dem Motorradfahrer auf der Straße. Ein besseres Argument für einen regemäßigen Fitness-Check kann ich nicht finden. Vermutlich, weil es kein besseres gibt.

Führerschein im Alter abgeben: Wie sage ich es meinen Eltern?

Nils Dampz aus dem SWR3-Morningshowteam hat sich mit Verkehrspsychologe Ralf Buchstaller darüber unterhalten, wie man das sensible Thema Führerscheinentzug am besten mit den Eltern bespricht:

Es ist ein bisschen geschlechtsabhängig. Mit der Mutter kann man da vielleicht ein bisschen besser darüber reden, als mit dem Vater. Den Vätern ist das Autofahren meist noch ein bisschen bedeutsamer. Führerscheinentzug ist ein bedeutender Punkt im Leben, weil man einen Teil seiner Selbständigkeit verliert. Es gibt bestimmte Punkte, die eine Zäsur darstellen: Austritt aus dem Erwerbsleben, Führerschein abgegeben, betreutes Wohnen irgendwann vielleicht … diese Punkte haben alle so ein bisschen was mit Teilnahme am sozialen Leben zu tun, mit Autonomie.

Ab wann merke ich: Meine Eltern sind nicht mehr so fahrtauglich?

Buchstaller: „Plötzliche kleine Beulen am Auto vom Einparken können ein Indiz sein. Das sind sicherlich erste Anzeichen. Oder wenn man selbst mitfährt: Der Fahrradfahrer wurde nicht so gesehen, der Schulterblick war nicht mehr so korrekt ausgeführt,… das sind alles kleine Hinweispunkte.

Am besten ist es das Thema anzusprechen, wenn die Eltern noch gut fahren können.

Vielleicht mal öfter Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit ihnen machen, damit es gar nicht erst zu der problematischen Situation kommt. Falls doch, sollte man sich möglichst viele Verbündete innerhalb der Familie suchen oder den Hausarzt mit einbinden, der eine Vertrauensstellung bei den Eltern hat. Dann fällt es ihnen vielleicht auch irgendwann leichter nachzugeben.

Das sagt der ADAC: Ältere Menschen bauen weniger Unfälle

Die Alten bauen doch die meisten Unfälle!" – stimmt nicht! Die Unfallstatistik des Statistischen Bundesamts zeigt, dass im Jahr 2020 Menschen ab 65 Jahren 17,5 Prozent der Unfälle mit Personenschaden verschuldet haben. Entscheidend für eine unfallfreie Teilnahme am Straßenverkehr sei nicht das Lebensalter, sondern neben dem Gesundheitszustand des Fahrers auch die in einem langen Kraftfahrerleben erworbene Fahrroutine, so der ADAC.

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Steffi Lingscheidt
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